Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. Pflegegeld. Ermittlung der Pflegestufe. Pflegebedürftigkeit. Hauterkrankung. Epidermolysis bullosa. Auftreten von Krankheitsschüben. Durchschnittsberechnung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einer Erkrankung, die einen unregelmäßigen täglichen Pflegebedarf auslöst, kann eine wöchentliche Durchschnittsberechnung erst vorgenommen werden, wenn die Hilfebedürftigkeit zwar schubweise gehäuft auftritt, aber jeden Tag ein Hilfebedarf bei zumindest zwei Verrichtungen in der Grundpflege besteht (vgl BSG vom 14.12.2000 - B 3 P 5/00 R = SozR 3-3300 § 15 Nr 11).

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen und die Klage abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Leistungen aus der Pflegeversicherung in Form von Pflegegeld oder Pflegesachleistungen der Pflegestufe I zustehen.

Der 2000 geborene und bei der Beklagten pflegeversicherte Kläger beantragte durch seinen gesetzlichen Vertreter am 17. September 2002 die Zahlung von Pflegegeld. Daraufhin beauftragte die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung B. (MDK) ein Pflegegutachten vom 13. Dezember 2002 durch die Ärztin Dipl.-Med. H. zu erstatten (Hausbesuch vom 11. November 2002). Die MDK-Gutachterin diagnostizierte eine zeitweilige Bewegungseinschränkung durch eine Epidermolysis bullosa (erblich verursachte Hauterkrankung, die zu einer häufigen Blasenbildung führt). Diese Erkrankung führe zeitweilig zu Beeinträchtigungen beim Laufen. Aktuell seien die Blasen an den Fersen abgetrocknet und nur an einer rechten Zehe eine Blase erkennbar. Ein täglicher Verbandswechsel sei erforderlich. Der Kläger sei geistig normal entwickelt. Im Bereich der Körperpflege bestehe ein alterstypischer Hilfebedarf, wobei das Waschen der Füße und Hände durch die Blasen erschwert werde. Zusammenfassend betrage der Zeitaufwand für die Grundpflege 191 Minuten und der Zeitaufwand für Hauswirtschaft 60 Minuten pro Tag. Bei Fähigkeitsstörungen von Kindern - wie hier - könne erst dann von pflegerelevanten Störungen ausgegangen werden, wenn dadurch alltagsübliche Selbstständigkeiten nicht erreicht würden. Von dem ermittelten Gesamtbedarf von 191 Minuten Grundpflege sei daher ein üblicher Grundpflegebedarf für Kinder diesen Alters von 165 Minuten abzuziehen, was einen tatsächlichen krankheits- und behinderungsbedingten Mehrbedarf von 26 Minuten ergebe.

Mit Bescheid vom 15. Januar 2003 lehnte die Beklagte Leistungen nach der Pflegestufe I ab. Hiergegen legte der Kläger am 31. Januar 2003 Widerspruch ein. Die Beklagte ließ ein neues Pflegegutachten durch den MDK B. erstatten. Im Gutachten vom 3. Juli 2003 (Untersuchung vom 12. Mai 2003) gab die Pflegefachkraft G. an: Aktuell seien Blasen an beiden großen Zehen vorhanden. Der Kläger erhalte täglich drei Fußbäder. Es bestünden zeitweilige Bewegungseinschränkungen durch die Hauterkrankung. Im Bereich des Waschens ergebe sich wegen der schmerzhaften Blasen ein erhöhter Pflegebedarf. Er könne trotz der Blasen umher laufen und sei sehr mobil. Die MDK-Gutachterin ermittelte einen Grundpflegeaufwand von 200 Minuten und einen Zeitaufwand für Hauswirtschaft von 60 Minuten pro Tag. Vom dem Grundpflegebedarf sei der typische Pflegeaufwand von Kindern diesen Alters von 150 Minuten abzuziehen, was einen krankheits- und behinderungsbedingten Mehrbedarf von 50 Minuten ergebe. Die Voraussetzungen der Pflegestufe I lägen damit vor.

Mit Schreiben vom 15. Juli 2003 bat die Beklagte den MDK um eine nähere Erläuterung des Gutachtens. Nach der vorliegenden Diagnose bestehe nur eine zeitweilige Bewegungseinschränkung des Klägers. Wegen des fehlenden regelmäßigen Pflegebedarfs sei der im Hausbesuch ermittelte Pflegebedarf nicht nachvollziehbar. Beim Vater des Versicherten, der an derselben Hautkrankheit wie der Kläger leide, seien Pflegeleistungen mangels regelmäßigen Pflegebedarfs abgelehnt worden. Zudem sei das Gutachten widersprüchlich. Auf der einen Seite werde behauptet, der Kläger sei noch nicht sauber, während auf der anderen Seite eine geistig altersgerechte Entwicklung behauptet werde.

Die Teamleiterin des MDK B.-B. Dipl.-Med. S. nahm daraufhin eine erneute Begutachtung nach Aktenlage vor. In ihrem Gutachten vom 23. September 2003 wertete sie nochmals die Befunde aus und hielt die Leistungsvoraussetzung für die Pflegebedürftigkeit für nicht gegeben. Die blasenbildenden Hauterscheinungen, die einen Grundpflegemehrbedarf begründeten, träten nicht täglich und damit nicht regelmäßig auf. Dies ergebe sich aus einem Kinderarztbericht vom 15. September 2003. Dem folgend wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2003 zurück.

Hiergegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Halle am 13. November 2003 erhoben. Das Sozialgericht hat Pflegebefundberichte der Fachärztin für Kinderheilkunde Dipl.-Med. K., der Hautärztin Dr. R. sowie eine Stellungnahme der Kindertagesstätte "K." eingeholt. Dipl.-Med. K. hat u...

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