Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall gem § 11 Abs 1 SGB 7. mittelbare Unfallfolge. Gesundheitsstörung. medizinische Maßnahme zur Heilbehandlung. Aufklärung des Sachverhalts. Kausalität. Konkurrenzursache. Theorie der wesentlichen Bedingung. Beurteilungsmaßstab. Verständnis des Versicherten. verständige Würdigung der objektiven Gegebenheiten. Zeitpunkt der Durchführung der medizinischen Maßnahme. Patellaspitzensyndrom
Leitsatz (amtlich)
1. Auch für die Anerkennung mittelbarer Unfallfolgen kommt es (auf einer ersten Prüfungsstufe) zunächst darauf an, ob die nach § 11 Abs 1 SGB VII versicherten Handlungen - ggf neben anderen ursächlichen Faktoren - als eine naturwissenschaftliche Bedingung für den Eintritt der geltend gemachten Gesundheitsstörung wirksam geworden sind. Ist das zu bejahen, ist (auf einer zweiten Prüfungsstufe) wertend zu entscheiden, ob die nach § 11 Abs 1 SGB VII versicherten Umstände für die Gesundheitsstörung auch rechtlich wesentlich sind (vgl BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 31/11 R - juris RN 26 f).
2. Ob eine medizinische Maßnahme zur Heilbehandlung (§ 11 Abs 1 Nr 1 SGB VII) oder Aufklärung des Sachverhalts (§ 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII) durchgeführt wird, beurteilt sich danach, wie der Versicherte sie bei verständiger Würdigung der objektiven Gegebenheiten zum Zeitpunkt ihrer Durchführung verstehen kann und darf (BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R = BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1 - juris).
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Schmerzzustand im Bereich des unteren linken Kniescheibenpols (Patellaspitzensyndrom) weitere Folge eines Arbeitsunfalls ist.
Laut ihrer Unfallschilderung vom 23. Dezember 2012 geriet die 1996 geborene Klägerin am 15. November 2012 als Schülerin im Sportunterricht beim Springen über ein kniehoch gespanntes Gummiseil mit dem rechten Fuß zwischen die Matten, knickte um und fing sich mit dem linken Bein ab. Um bei der Leistungskontrolle keine schlechte Bewertung zu erhalten, sei sie bis zum Ablauf der vorgegebenen Zeit weiter gesprungen. Erst danach seien die Schmerzen stärker geworden und sie habe die bis 16:45 Uhr angesetzte Sportstunde abbrechen müssen.
Der am Vormittag des 16. November 2012 aufgesuchte D-Arzt Dr. B. stellte die Diagnosen Verstauchung und Zerrung des oberen (rechten) Sprunggelenks sowie Verstauchung und Zerrung nicht näher bezeichneter Teile des (linken) Knies. Er vermerkte eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenks (Beugung/Strekkung 90/15/15°), keinen Druckschmerz über dem Gelenkspalt, keinen Erguss, kein Hämatom, keine Hautverletzung, keinen Patellaanpressschmerz und negative Meniskuszeichen. Röntgenologisch zeigten sich keine frischen knöchernen Verletzungen und altersgerechte Befunde.
Dem MRT des linken Kniegelenks vom 23. November 2012 entnahm der Nuklearmediziner Dr. H. eine intraligamentäre Partialruptur des vorderen Kreuzbandes, eine Kontusion des retropatellaren Knorpels lateral, eine Tendinopathie der Patellasehne in Höhe des Ansatzes am caudalen Patellapol sowie eine Chondromalazie Grad III im medialen Kniegelenkspalt.
Dr. Z. äußerte im D-Arztbericht vom 27. November 2012 daraufhin den Verdacht auf eine Kreuzbandruptur sowie eine Knorpelerweichung und nahm am 7. Dezember 2012 eine diagnostische Kniegelenksarthroskopie vor. Im Operationsbericht führte er aus, bei kernspintomographischem Verdacht auf eine Kreuzbandruptur habe er der Klägerin angesichts ihres Alters trotz klinisch stabilen Gelenks zur Befundabklärung geraten. Intraoperativ konnte Dr. Z. keinen intrartikulären Erguss, intakte Menisken und keine Chondromalazie feststellen. Nachdem eine Übersicht über die Notch erst nach Resektion der hypertrophen Plica mediopatellaris und Teilresektion des Hoffa'schen Fettkörpers möglich war, zeigten sich auch bei der Tasthakenprüfung unauffällige Kreuzbänder ohne Hinweise auf eine Partial- oder Vollruptur. Lediglich tibial fand sich eine Einblutung am vorderem Kreuzband ohne Stabilitätsverlust.
In seiner Verordnung zur Durchführung einer Erweiterten Ambulanten Physiotherapie (EAP) vom 30. Januar 2013 stellte Dr. Z. die Diagnosen Patellaspitzensyndrom bzw. Tendinitis der Patellasehne und wiederholte diese in den Zwischenberichten vom 27. Februar und 26. März 2013. Unfallunabhängige Gesundheitsstörungen bestünden nicht. Im Eingangsbericht über die EAP vom 12. Februar 2013 hatte Dr. Z. vermerkt, ca. zwei Wochen nach der Arthroskopie sei es bei der Klägerin zu einer Zunahme der Beschwerdesymptomatik gekommen. Die Kniegelenksbeweglichkeit sei deutlich eingeschränkt (Beugung/Streckung 110/10/0°).
In seiner beratenden Einschätzung vom 5. April 2013 meinte der Unfallchirurg Dr. K., das Patellaspitzensyndrom sei nicht auf den Unfall vom 15. November 2012 zurückzuführen. Im MRT seien keine unfallbedingten Verletzungen gesichert worden...