Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. Vermittlungsaufforderung. Vorstellungsgespräch. Begründung des Arbeitsverhältnisses. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. Beibringung der Kindergeldbescheinigung. notwendige Voraussetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anbahnung von Arbeitsverhältnissen ist notwendiges Durchgangsstadium zur Erfüllung der Hauptaufgabe der Arbeitsförderung, der zügigen Besetzung offener Stellen auf dem Arbeitsmarkt.
2. Da die Arbeitsvermittlung das Ziel verfolgt, zwischen dem Arbeitsuchenden und einem Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis zu begründen, endet sie weder mit der Durchführung eines Vorstellungsgesprächs noch nimmt sie dem Arbeitsuchenden die Verantwortung dafür, ob und zu welchen Bedingungen er einen Arbeitsvertrag schließt.
3. Das wegen noch offener Punkte erforderliche weitere Aufsuchen des potentiellen Arbeitgebers alsbald nach einem Vorstellungsgespräch wird von der Vermittlungsaufforderung mitumfasst und unterfällt dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 8. Februar 2005 sowie der Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2002 aufgehoben und gegenüber der Beigeladenen festgestellt, dass der Unfall des Klägers vom 27. April 2001 ein Arbeitsunfall ist.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen tragen die Beklagte und die Beigeladene jeweils zur Hälfte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall.
Der am 1945 geborene Kläger erlitt am 27. April 2001 gegen 11.10 Uhr auf direktem Weg vom Arbeitsamt (ArbA, nunmehr Agentur für Arbeit) zur Gemeinnützigen Gesellschaft für Ausbildung, Qualifizierung und Beschäftigung mbH (AQB) in M. als Radfahrer einen Verkehrsunfall, als er mit einem Pkw zusammenstieß. Hierbei zog er sich im Wesentlichen ein Schädel-Hirn-Trauma sowie einen Bruch des Innenknöchels des rechten Fußes zu (Durchgangsarztbericht vom 30. April 2001). Er bezog zu diesem Zeitpunkt Leistungen von der Bundesanstalt für Arbeit (nunmehr Bundesagentur für Arbeit - BA) und unterlag der Meldepflicht. Aufgrund der Vermittlungsaufforderung des ArbA vom 29. März 2001 hatte er sich am 26. April 2001 bei der AQB zwecks einer vom 1. Mai 2001 bis zum 30. November 2001 - im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme - beabsichtigen Beschäftigung als Gartenarbeiter vorgestellt. Als die AQB ihn am 27. April 2001 telefonisch aufforderte, für die Lohnberechnung eine Bescheinigung der Kindergeldkasse vorzulegen, holte er diese beim ArbA ab und wollte nochmals zur AQB fahren.
Mit Bescheid vom 11. Juli 2001 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Der Unfall habe sich auf einem Weg ereignet, der die Aufnahme einer versicherten Tätigkeit nur habe vorbereiten sollen. Solche Vorbereitungshandlungen seien dem eigenwirtschaftlichen und somit unversicherten Lebensbereich zuzurechnen und stünden nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Auf entsprechende Anforderung teilte die AQB der Beklagten mit am 16. Juli 2001 eingegangenem Schreiben vom 12. Juli 2001 mit, der Kläger habe den Weg zurückgelegt, um die für die geplante Arbeitsaufnahme notwendige Kindergeldbescheinigung abzuholen bzw. abzugeben.
Am 2. August 2001 legte der Kläger gegen den Bescheid der Beklagten Widerspruch ein und berief sich darauf, dass er die Aufforderung der AQB wegen des Arbeitsvertrages als Anweisung betrachtet habe. Um keine Nachteile zu erleiden, habe er sie sofort befolgt.
Ergänzend überreichte der Kläger der Beklagten am 21. Oktober 2001 neben dem Arbeitsvertrag vom 1. Mai 2001 auch einen Handzettel mit einer vorgegebenen Liste der zum Abschluss des Arbeitsvertrages mitzubringenden Unterlagen. Der Handzettel, auf dem keine Kindergeldbescheinigung aufgeführt war, sei ihm am 26. April 2001 mit der Maßgabe ausgehändigt worden, die zur Abrechnung des Lohns erforderliche Bescheinigung kurzfristig nachzureichen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Wege, die mit einer Arbeitsuche und Verhandlungen über den Abschluss eines Arbeitsvertrages zusammenhingen, gehörten als Vorbereitungshandlungen der Beschäftigungssuche zum unversicherten Bereich. Sofern der Arbeitsvertrag bereits am 26. April 2001 geschlossen worden sei, habe die Beibringung der fehlenden Bescheinigung lediglich der seinem privaten Interesse dienenden Arbeitsentgeltberechnung gedient.
Am 31. Januar 2002 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Magdeburg Klage erhoben und zur Begründung klarstellend vorgetragen, anlässlich des Vorstellungsgesprächs am 26. April 2001 habe die AQB den Arbeitsvertrag noch nicht unterzeichnet. Sie habe ihm den Vertrag an diesem Tag auch noch nicht ausgehändigt. Da...