Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Bestimmtheit eines Rücknahmebescheides. ermessensfehlerhafte Rücknahmeentscheidung. fehlende Ermessenserwägungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Ablehnung einer Rentenzahlung in der bisherigen Höhe in einem Rücknahmebescheid lässt deutlich erkennen, dass die Leistungsbewilligung aus vorangegangenen Bewilligungsbescheiden nicht mehr aufrechterhalten werden soll. Eine ausdrückliche Erwähnung aller zurückzunehmenden Bescheide ist dann nicht erforderlich.

2. Der Rentenversicherungsträger handelt ermessensfehlerhaft, wenn er bei einer Rücknahmeentscheidung fälschlicherweise von einer groben Fahrlässigkeit des Rentenempfängers und einem eigenen Nichtverschulden ausgeht.

 

Orientierungssatz

Fehlende Ermessenserwägungen im Rücknahmebescheid können zwar nach § 41 Abs 1 Nr 2 und Abs 2 SGB 10 bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Damit ist jedoch kein Nachschieben im Verwaltungsverfahren nicht erwogener Gründe erlaubt, sondern nur die nachträgliche Mitteilung der für den Erlass des Verwaltungsaktes aus damaliger Sicht der Behörde maßgebenden Gründe.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 03. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in der Berufungsinstanz.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die teilweise Aufhebung eines Altersrentenbescheides für die Zukunft.

Die am ... 1948 geborene Klägerin ist gelernte Industriekauffrau. Sie war bis November 1996 als kaufmännische Angestellte tätig. Am 24. Juli 1997 und 04. August 1998 erteilte die Beklagte Auskunft zum Versorgungsausgleich an das Amtsgericht B. - Familiengericht. Mit Urteil vom 09. Juni 1998 wurde die Ehe der Klägerin geschieden. Zudem wurde festgelegt, dass von dem Versicherungskonto der Klägerin Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 199,42 DM, bezogen auf den 31. Oktober 1996 als Ende der Ehezeit, auf das Versicherungskonto des Ehegatten übertragen werden. Es wurde angeordnet, dass der zu übertragende Monatsbetrag von dem zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung in Entgeltpunkte Ost umzurechnen ist. Nachfolgend erhielt die Klägerin seit 2002 jährlich einen Versicherungsverlauf übersandt. Mit Bescheiden vom 20. Dezember 2004 und 16. Februar 2005 stellte die Beklagte die Versicherungszeiten nach § 149 Abs. 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) verbindlich fest.

Die Klägerin stellte am 13. Dezember 2007 bei der Beklagten einen Antrag auf Altersrente für Frauen. Sie gab im Antragsformular an, dass ein Versorgungsausgleich durchgeführt worden sei. Mit Rentenbescheid vom 17. Januar 2008 gewährte die Beklagte der Klägerin eine Altersrente für Frauen ab dem 01. März 2008 in Höhe von monatlich 729,00 EUR. Mit weiterem Rentenbescheid vom 18. Juni 2008 wurde die Altersrente neu festgestellt, da weitere Zeiten einer geringfügigen Beschäftigung zu berücksichtigen seien. In beiden Rentenbescheiden berechnete die Beklagte die Rente, ohne den für die Klägerin bestehenden Malus aus dem Versorgungsausgleich zu berücksichtigen.

Die Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 10. Juli 2008 dazu an, dass sie beabsichtige, die erlassenen Bescheide mit Wirkung ab dem 01. Juli 2008 aufzuheben, da der Versorgungsausgleich nicht berücksichtigt worden sei und sich die Rente dadurch entsprechend reduziere. Daraufhin teilte die Klägerin mit Schreiben vom 26. Juli 2008 mit, dass sie alle Angaben zum Versorgungsausgleich gewissenhaft gemacht habe. Bei sämtlichen Renteninformationen und Nachfragen habe sie den Eindruck gewonnen, dass der Malus aus dem Versorgungsausgleich bei der Rentenberechnung berücksichtigt worden sei.

Mit Bescheid vom 04. August 2008 berechnete die Beklagte die Altersrente für Frauen ab 01. September 2008 neu und bewilligte laufend monatlich 645,97 EUR, weil sich die persönlichen Entgeltpunkte aufgrund des Versorgungsausgleichs geändert hätten. In Anlage 10 "Ergänzende Begründungen und Hinweise" führte die Beklagte aus, der Rentenbescheid vom 17. Januar 2008 werde hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung für die Zukunft ab 01. September 2008 nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) zurückgenommen. Vertrauensschutz in den Bestand des Rentenbescheides sei nicht gegeben, weil an der Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich ein öffentliches Interesse bestehe. Dass dem gesamten Rentenbescheid kein Hinweis auf den Malus zum Versorgungsausgleich zu entnehmen gewesen sei, hätte die Klägerin erkennen können. Bei den gespeicherten Daten zum Versorgungsausgleich, die die Auskünfte und Informationen beinhalten würden, handele es sich lediglich um die Grunddaten ohne Auswirkung zur Berechnung des Malus. Ob die von der Klägerin getroffenen Vermögensdispositionen nicht mehr oder nur unt...

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