Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. häusliche Krankenpflege. kein eigener Vergütungsanspruch des Pflegedienstes aus § 37 SGB 5. Anspruch des Pflegedienstes aus § 132a SGB 5 iVm dem geschlossenen Rahmenvertrag. grundsätzliches Erfordernis der Genehmigung durch die Krankenkasse. mögliche Ausnahme bei Vorlage der Verordnung kurz nach Ausstellung bei Erbringung von Leistungen vor der Leistungsablehnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Pflegedienst kann aus § 37 SGB V keinen eigenen gesetzlichen Anspruch auf Bezahlung der von ihr erbrachten Leistungen gegen die GKV ableiten; die Möglichkeit der Abtretung des Anspruchs durch den Versicherten bleibt unberührt.

2. Der Pflegedienst kann nur Ansprüche aus § 132a SGB V iVm dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Rahmenverträgen über die Erbringung von häuslicher Krankenpflege haben.

3. Dieser Anspruch ist grundsätzlich von der Genehmigung der vertragsärztlichen Verordnung durch die Krankenkasse abhängig (vgl auch § 6 Abs 1 Richtlinie über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege - juris: HKPRL). Nur wenn die Verordnung kurz nach der Ausstellung vorgelegt wird und bis zur Leistungsablehnung bereits Leistungen erbracht wurden, kann etwas anderes gelten (vgl § 6 Abs 6 der Richtlinie über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 06.05.2021; Aktenzeichen B 3 KR 68/20 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 21.537,65 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die gesonderte Bezahlung der von ihr erbrachten Leistungen als solcher häuslicher Krankenpflege.

Die Klägerin betreibt eine stationäre Einrichtung der Behindertenhilfe für Menschen mit Behinderungen, in der im streitigen Zeitraum der bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Weiteren nur Beklagte) gesetzlich krankenversicherte W. (im Weiteren der Versicherte) wohnte. Nach dem Heimvertrag mit diesem hatte die Klägerin u.a. pflegerische Leistungen zu erbringen, soweit dies im Rahmen der Eingliederungshilfe möglich war. Die Klägerin betreibt zugleich einen ambulanten Pflegedienst.

Am 1. Februar 2010 beantragte der Versicherte bei der Stadt H. Leistungen auf Hilfe bei Krankheit. Er führte aus, dass er die entstehenden Kosten der Medikamentengabe und sonstigen Dienstleistungen aus ärztlichen Verordnungen nicht aus eigenen Mitteln bestreiten könne. Die Stadt H. leitete diesen Antrag unter Hinweis auf § 14 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) an die Beklagte weiter. Mit Schreiben vom 21. Mai 2010 legte die Pflegekasse der Beklagten dar, die Voraussetzungen für eine Leistungserbringung nach § 37 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) lägen nicht vor. Leistungen der häuslichen Krankenpflege müssten vor Leistungsbeginn unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung bei der Kasse beantragt werden. Ein Antrag ohne ärztliche Verordnung sei nicht möglich.

Am 4. Mai 2011 ging bei der Beklagten eine am 21. April 2011 ausgestellte ärztliche Verordnung häuslicher Krankenpflege (Verabreichen von Medikamenten im Umfang von viermal täglich) für den Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2011 ein. Mit Schreiben vom 10. Mai 2011 lehnte die Pflegekasse der Beklagten erneut eine Leistungsgewährung gegenüber dem Versicherten ab und führte aus, dass er in einer vollstationären Einrichtung für behinderte Menschen lebe. Dies stehe einer Übernahme der häuslichen Krankenpflege zwingend entgegen. Sie wies darauf hin, dass erst nach Genehmigung eine Leistung zu ihren Lasten erbracht werden könne. Eine Kopie dieses Schreibens übersandte sie an die Klägerin zur Kenntnis.

Am 23. Mai und 4. Juli 2011 gingen Folgeverordnungen vom 16. Mai und 24. Juni 2011 für die Zeiträume vom 20. Mai bis 30. Juni 2011 und 1. Juli bis 15. Dezember 2011 bei der Beklagten ein. Mit Schreiben vom 13. Juli 2011 lehnte die Pflegekasse der Beklagten erneut die Gewährung von Leistungen gem. § 37 SGB V ab und wiederholte ihre bisherige Begründung.

Der erneute Antrag aufgrund der weiteren Folgeverordnung vom 12. Dezember 2011 (betreffend den Zeitraum vom 16. Dezember 2011 bis 30. Juni 2012; Eingang bei der Beklagten am 16. Dezember 2011) wurde gegenüber dem Versicherten mit Schreiben vom 27. Dezember 2011 mit identischer Begründung abgelehnt. Am 13. Januar 2012 legte der Versicherte hiergegen Widerspruch ein und verlangte die Gewährung von häuslicher Krankenpflege. Mit Bescheid vom 27. Januar 2012 führte die Pflegekasse der Beklagten aus, man habe den Widerspruch gegen die Entscheidung erhalten und diese überprüft. Es handele sich um eine zutreffende Anwendung des § 37 SGB V. Es liege der Ausschlusstatbestand der Versorgung in Einrichtungen der Behindertenhilfe vor. „Aus formellen Gründen“ wies die Beklagte darauf hin, dass man den Widerspruch als Ergebnis einer Anhörung im Sinne des § 24 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) werte. Es erfolgte eine Rechtsmittelbelehrung hinsichtlich der Möglichkeit eines Widerspruchs.

Am 16. März ...

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