Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistung. Beschäftigungsförderung. Aufhebung der Bewilligung eines Beschäftigungszuschusses. Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Nichtzahlung des Arbeitsentgelts an den Arbeitnehmer
Leitsatz (amtlich)
Wenn schon vor der Auszahlung des Beschäftigungszuschusses nach § 16a SGB 2 idF durch das 2. SGB II ÄndG vom 10.10.2007 (BGBl I 2007, 2326) für einen bestimmten Bewilligungszeitraum eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten ist, die bei Erlass der Bewilligung vorgelegen haben, ist für die Aufhebung der Bewilligung § 40 SGB 2 iVm § 48 Abs 1 SGB 10, § 330 Abs 3 SGB 3 die einschlägige Ermächtigungsgrundlage. Diese wird dann nicht durch § 47 Abs 2 SGB 10 als die speziellere Vorschrift verdrängt. Dies hat zur Folge, dass vom Leistungsträger kein Ermessen auszuüben ist.
Orientierungssatz
Zur Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligung eines Beschäftigungszuschusses gem § 48 Abs 1 S 2 SGB 10 iVm § 330 Abs 3 SGB 3 und § 16a SGB 2 aF bzw § 16e SGB 2 nF, wenn der Arbeitgeber mit Eintritt der zur Insolvenz führenden Zahlungsunfähigkeit das Arbeitsentgelt an den geförderten Arbeitnehmer nicht mehr zahlt.
Normenkette
SGB II §§ 16a, 16e, 40; SGB X § 48 Abs. 1, § 47 Abs. 2, § 39 Abs. 1, § 40 Abs. 1; SGB II § 330 Abs. 3
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten werden die Urteile des Sozialgerichts Halle vom 16. Oktober 2012 und vom 5. Dezember 2012 aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides. Die Klägerin führt den Rechtstreit als Insolvenzverwalterin über das Vermögen des Initiativkreises Arbeitsbeschaffung und Bildung S e.V. in S. (nachfolgend als Initiativkreis bezeichnet). Der Initiativkreis war Träger von geförderten Maßnahmen und anderer gemeinnütziger Projekte. Der Initiativkreis schloss am 8. Mai 2008 einen Beschäftigungsvertrag mit dem vorher langzeitarbeitslosen Arbeitnehmer L ... M ... für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2009. Danach erfolgte die Beschäftigung im Rahmen des "Projektes Bürgerarbeit". Der Arbeitnehmer hatte Anspruch auf eine monatliche Vergütung von brutto 675,00 EUR. Nach dem Vertrag war das Nettoentgelt jeweils bis zum 30. des nachfolgenden Monats zur Zahlung anzuweisen. Am 19. Mai 2008 stellte der Initiativkreis bei der Arbeitsgemeinschaft SGB II A -S. (nachfolgend als ARGE bezeichnet) einen Antrag auf einen Beschäftigungszuschuss nach § 16a Zweites Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Beschäftigung des langzeitarbeitslosen Arbeitnehmers L. M. Die ARGE nahm bis zum 31. Dezember 2010 als Vorgängerin des Jobcenter S. die Verwaltungsaufgaben für die Träger der Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II mit örtlicher Zuständigkeit für das Gebiet des ehemaligen Landkreises A.-S. wahr. Mit Bescheid vom 20. Juni 2008 bewilligte die ARGE dem Initiativkreis den beantragten Beschäftigungszuschuss in Höhe von 599,15 EUR monatlich für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2009. Im Bescheid wird ausgeführt, der Zuschuss werde jeweils monatlich nachträglich überwiesen. Der Bewilligungsbescheid war mit Nebenbestimmungen versehen. Unter anderem wurde unter Ziffer 2 ausgeführt: "Der Bewilligungsbescheid wird mit der Maßgabe gewährt, dass er (= der Beschäftigungszuschuss) für die Zahlung des Arbeitsentgelts, der Sozialversicherungsbeiträge oder der Erfüllung ähnlicher Arbeitgeberpflichten eingesetzt wird." Wegen weiterer Einzelheiten zum Inhalt des Antrags und des Bescheides wird auf Blatt 1ff. und 21f. der Verwaltungsakte der ARGE betreffend dem Beschäftigungszuschuss für den Arbeitnehmer L M Bezug genommen.
Der für Januar 2009 bewilligte Beschäftigungszuschuss für den Arbeitnehmer L. M. wurde durch die ARGE am 27. Januar 2009 durch Überweisung an den Initiativkreis gezahlt. Mit Beschluss vom 28. Januar 2009 bestellte das Amtsgericht Magdeburg die Klägerin zur vorläufigen Insolvenzverwalterin über das Vermögen des Initiativkreises und ordnete die vorläufige Vermögensverwaltung an. Dem Initiativkreis wurden mit dem Beschluss sämtliche Verfügungen über seine Bankkonten untersagt. Laut einer Erklärung des Geschäftsführers des Initiativkreises vom 28. Januar 2009 gegenüber der Tageszeitung SV. war die Zahlungsunfähigkeit des Initiativkreise eingetreten, weil dieser sich mit der Übernahme eines Seniorenheims finanziell "übernommen" hatte. Er äußerte weiter, dass die beim Initiativkreis in Beschäftigungsprojekten tätigen Arbeitnehmer von anderen Trägern übernommen würden.
Nach einem Vermerk in der für den Initiativkreis geführten Verwaltungsakte der ARGE fand am 12. Februar 2009 ein Treffen statt, an dem die Klägerin in ihrer Funktion als vorläufige Insolvenzverwalterin sowie Vertreter der ARGE, ...