Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen des § 91 Abs. 2 BSHG ist eine öffentlich-rechtliche Vergleichsberechnung durchzuführen. Ergibt die Prüfung, daß die Leistungsfähigkeit des Schuldners nach Sozialhilferecht geringer als nach Unterhaltsrecht ist, geht der Unterhaltsanspruch nur in Höhe des geringeren Betrages auf den Sozialhilfeträger über.

2. Im Sozialhilferecht darf fiktives Einkommen grundsätzlich nicht angesetzt werden.

3. Zur Berechnung des sozialhilferechtlichen Bedarfs des Unterhaltsschuldners.

 

Verfahrensgang

AG Remscheid (Beschluss vom 20.08.1997; Aktenzeichen 25 F 97/97)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beklagten wird – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels – der Beschluß des Amtsgerichts – Familiengerichts – Remscheid vom 20. August 1997 teilweise abgeändert. Dem Beklagten wird zur Verteidigung gegen die Klage unter Beiordnung von Rechtsanwalt … in … ratenfreie Prozeßkostenhilfe bewilligt, soweit er sich dagegen wendet, monatlich mehr als 240 DM übergegangenen Unterhalt zahlen zu müssen.

Eine Gebühr ist nicht zu erheben.

 

Gründe

Die klagende Stadt gewährt den 1981 und 1984 geborenen ehelichen Kindern des Beklagten Sozialhilfe. Sie nimmt den Beklagten aus übergegangenem Recht auf Zahlung von monatlich 150 DM Kindesunterhalt pro Kind für die Zeit seit 1. Mai 1997 in Anspruch.

Das Amtsgericht hat dem Beklagten die Prozeßkostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht seiner Rechtsverteidigung in der Erwägung verweigert, daß dem 38 Jahre alten und seit November 1995 arbeitslosen Beklagten mangels ausreichender Bemühungen um eine neue Arbeitsstelle ein fiktives Nettoeinkommen von bereinigt monatlich 1.800 DM zuzurechnen sei, aus dem er den eingeklagten Unterhalt von 300 DM zahlen könne.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten, die insoweit Erfolg hat, als er sich dagegen wehrt, mehr als 240 DM monatlich Unterhält für beide Kinder zahlen zu müssen.

Nach § 91 Abs. 2 Satz 1 BSHG geht im Falle der Leistung von Sozialhilfe der Unterhaltsanspruch des Hilfeempfängers gegen den Unterhaltspflichtigen nur insoweit auf den Sozialhilfeträger über, als der Unterhaltspflichtige sein Vermögen und sein Einkommen nach sozialhilferechtlichen Bestimmungen (§§ 76 bis 89 – mit Ausnahme der §§ 84 Abs. 2, 85 Nr. 3 Satz 2 – BSHG) einzusetzen hat. § 91 Abs. 2 Satz 1 BSHG soll den Schuldner davor schützen, daß er durch Zahlung des von dem Sozialhilfeträger verlangten Unterhalts selbst sozialhilfebedürftig wird. Ihm hat sein eigener Bedarf nach Sozialhilferecht zu verbleiben. Im Falle des Anspruchsübergangs nach § 91 Abs. 1 BSHG ist daher nicht allein auf die Leistungsfähigkeit nach Unterhaltsrecht abzustellen. Vielmehr ist eine öffentlich-rechtliche Vergleichsberechnung durchzuführen. Dabei sind das nach Sozialhilferecht einzusetzende Einkommen, ggf. auch das Vermögen, und der sozialhilferechtliche Bedarf des Schuldners zu berücksichtigen. Ergibt die Prüfung, daß die Leistungsfähigkeit des Schuldners nach Sozialhilferecht geringer ist als nach bürgerlichem Recht geht der Unterhaltsanspruch nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung nur in Höhe des geringeren Betrages auf den Sozialhilfeträger über (Wendl/Scholz Das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis, 4. Aufl., § 6 Rdnr. 524).

Zu Recht hat das Amtsgericht dem Beklagten wegen Verletzung seiner Erwerbsobliegenheit ein fiktives Einkommen von 1.800 DM monatlich zugerechnet und ihn nach Unterhaltsrecht in Höhe von 300 DM für leistungsfähig angehalten. Nach wohl überwiegender Ansicht (OLG Hamm, FamRZ 1997, 90; OLG Koblenz, FamRZ 1996, 1548; Heiß/Hußmann, Unterhaltsrecht 16.30; Wendl/Scholz a.a.O. § 6 Rdnr. 534; anderer Ansicht: OLG Karlsruhe, FamRZ 1995, 615) darf dagegen im Sozialhilferecht dem Schuldner fiktives Einkommen nicht zugerechnet werden. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu dieser Frage liegt jedoch noch nicht vor. Schon deshalb muß im Prozeßkostenhilfeverfahren zugunsten des Beklagten davon ausgegangen werden, daß ein fiktives Einkommen nicht angesetzt werden kann. Dies gilt für Vergangenheit und Zukunft. Die Problematik, ob sich für die Zukunft der Vorrang des Unterhaltsrechts durchsetzt und demgemäß fiktives Einkommen zuzurechnen ist (vgl. dazu Wendl/Scholz a.a.O. § 6 Rndr. 572), stellt sich nur, wenn der Unterhaltsberechtigte selbst den Unterhaltsanspruch geltend macht, der Anspruch jedoch für die Vergangenheit auf den Sozialhilfeträger übergegangen ist. Hier macht der Sozialhilfeträger jedoch von seiner Befugnis Gebrauch, bis zur Höhe der bisherigen monatlichen Aufwendungen selbst auf künftige Leistung zu klagen (§ 91 Abs. 3 Satz 2 BSHG). In diesem Fall muß der Sozialhilfeträger auch für die Zukunft die in § 91 Abs. 2 erwähnten Vorschriften zugunsten des Schuldners gegen sich gelten lassen.

Abzustellen ist daher auf die vom Beklagten bezogene Arbeitslosenhilfe von 1.138,71 DM pro Monat. Als sozialhilferechtlicher Bedarf müssen dem Beklagten verbleiben (vgl. Wendl/Scholz § 6 Rndr. 539 ff):

Regelsatz nach § 22 BSHG ab 1.7.1997 in der für Nordrhei...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Kranken- und Pflegeversicherungs Office enthalten. Sie wollen mehr?