Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsausbildungsbeihilfe. Einkommensanrechnung. Eltern. Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Absetzung eines Pauschbetrages. Freibetrag zur Vermeidung unbilliger Härten. Atypischer Fall. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Beiträge für eine private Kranken- und Pflegeversicherung können nach den ausbildungsförderungsrechtlichen Regelungen nur in Höhe der gesetzlich festgelegten Pauschalen vom Einkommen abgezogen werden.
2. Über die Abzugspauschalen hinausgehende Aufwendungen für Versicherungsbeiträge können ausnahmsweise nach Maßgabe der Härtefallregelung in § 25 Abs 6 BAföG anrechnungsfrei bleiben.
Normenkette
SGB III § 67 Abs. 2 S. 1; BAföG § 21 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 4, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 25 Abs. 6
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 26. April 2013 abgeändert.
Der Klägerin wird für das Klageverfahren Az. S 1 AL 58/13 ab Antragstellung Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt …, als Bevollmächtigter beigeordnet.
Derzeit sind weder Raten zu zahlen noch Zahlungen aus dem Vermögen zu leisten.
II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich mit der Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren. In der Hauptsache begehrt sie höheres Berufsausbildungsgeld.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 23. Oktober 2012 Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 3. September 2012 bis zum 28. Februar 2014. Hierbei legte sie einen monatlichen Gesamtbedarf in Höhe von 844,00 EUR zu Grunde und zog hiervon unter anderem ein bereinigtes Gesamteinkommen des Vaters der Klägerin in Höhe von 554,25 EUR ab.
Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, dass die Beiträge ihres Vaters zur privaten Krankenversicherung und die ihrer Mutter zur Krankenversicherung bei der AOK als sonstige Belastungen berücksichtigt werden müssten.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2013 zurück. Aufwendungen zur sozialen Sicherung seien nur in Form von Pauschalen abzugelten. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 22. Januar 2013 zugestellt.
Die Klägerin hat am 22. Februar 2013 Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht, dass auch die monatlichen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, die sich bei ihrem Vater auf 683,22 EUR und bei ihrer Mutter auf 322,25 EUR belaufen würden, in Abzug zu bringen seien. Ihre Eltern hätten, weil sie die Altersgrenzen überschritten hätten, nicht die Möglichkeit, wieder in eine gesetzliche Krankenversicherung zu gelangen. Es sei bei der Einkommensberechnung auf die tatsächlichen und nicht auf die fiktiven Einkommensverhältnisse abzustellen. Die tatsächliche Leistungsfähigkeit der Eltern sei maßgebend.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 26. April 2013 abgelehnt. Aufwendungen zur sozialen Absicherung seien nur nach Maßgabe der gesetzlich festgelegten Sozialpauschalen abzuziehen.
Die Klägerin hat gegen den ihr am 6. Mai 2013 zugestellten Beschluss am 3. Juni 2013 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung verweist sie ergänzend auf das Urteil des Sozialgerichtes Leipzig vom 10. Juli 2012 (Az. S 8 KR 373/10), das zu einer vergleichbaren Problematik ergangen sei.
Die Staatskasse hat sich zur Beschwerde geäußert. Die Beklagte hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Instanzen und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft. Keiner der in § 172 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der hier maßgebenden, vom 11. August 2010 bis zum 24. Oktober 2013 geltenden Fassung (vgl. Artikel 6 des Gesetzes vom 5. August 2010 [BGBl. I S. 1127]) aufgeführten Ausschlussgründe ist gegeben.
2. Die Beschwerde ist auch begründet.
Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt für jeden Rechtszug besonders (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
a) Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Klägerin hat bei der gebotenen summarischen Prüfung nach Aktenlage hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Rechtsgrundlage für die Einkommensanrechnung bei der Ermittlung des Anspruches auf Berufsausbildungsbeihilfe ist § 67 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III). Gemäß § 67 Abs. 2 Satz 1 SGB III gelten für die Ermittlung des Einkommens und dessen Anrechnung sowie die Berücksichtigung von Freibeträgen § 11 A...