Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlanges Gerichtsverfahren. keine Entschädigungsklage "auf Vorrat". Erhebung der Verzögerungsrüge. Sachstandsanfrage mit Hinweis auf Verfahrensdauer nicht ausreichend. keine Erweiterung einer auf die erste Instanz beschränkten Entschädigungsklage durch Verzögerungsrüge in zweiter Instanz
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Entschädigungsklage kann nicht auf Vorrat erhoben werden.
2. Eine auf die erste Instanz des Ausgangsverfahrens beschränkte Entschädigungsklage wird nicht durch die Erhebung der Verzögerungsrüge in zweiter Instanz des Ausgangsverfahrens um diese Instanz erweitert.
Orientierungssatz
1. Eine teleologische Reduktion des § 198 Abs 5 S 1 GVG, wonach die Sechsmonatsfrist dann nicht anzuwenden ist, wenn das als verspätet gerügte Verfahren schon vor Ablauf dieser Frist abgeschlossen wurde (vgl BGH vom 21.5.2014 - III ZR 355/13 = NJW 2014, 2443 und vom 17.7.2014 - III ZR 228/13 = NJW 2014, 2588; BVerwG vom 17.8.2017 - 5 A 2/17 D = NVwZ 2018, 909 und vom 26.2.2015 - 5 C 5/14 D = NVwZ-RR 2015, 641) setzt die rechtskräftige Beendigung des Ausgangsverfahrens in sämtlichen Instanzen voraus (vgl BFH vom 7.2.2017 - X S 31/16 (PKH) = BFH/NV 2017, 612).
2. Ist in einer Sachstandsanfrage ein Hinweis auf die Dauer des Verfahrens enthalten, verbunden mit der Frage, warum es nicht beendet werden könne, lässt sich hieraus noch kein eindeutiges Verlangen nach einer Beschleunigung des Verfahrens iS einer Verzögerungsrüge entnehmen.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 3.600,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist eine Entschädigung wegen unangemessener Dauer des vor dem Sozialgericht Dresden (SG) unter dem Az. S 24 KN 1480/11 geführten Verfahrens.
In diesem Ausgangsverfahren begehrte der Kläger die vollständige Auszahlung von Rentennachzahlungen in Höhe von 2.534,03 €. Diesen Betrag hatte die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (DRV) von der Nachzahlung der dem Kläger mit Bescheid vom 12.01.2011 rückwirkend zum 01.10.2005 bewilligten und mit Bescheid vom 14.02.2011 erhöhten Rente wegen voller Erwerbsminderung einbehalten und an den Landkreis B... als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende erstattet, der Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft des Klägers Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gewährt hatte. Der Verlauf des gegen die DRV gerichteten Ausgangsverfahrens gestaltete sich wie folgt:
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1. Instanz |
S 24 KN 1480/11 |
02.08.2011 |
Klageschrift mit Begründung, |
04.08.2011 |
Übersendung der Klageschrift an die DRV zur Äußerung bis 05.09.2011, Anforderung der Verwaltungsakten, |
05.10.2011 |
Eingang der Klageerwiderung der DRV samt Verwaltungsakten, |
18.10.2011 |
Stellungnahme des Klägers zur Klageerwiderung, |
19.01.2012 |
Anfragen des SG an die DRV und den Landkreis, Anhörung der Beteiligten zur Beiladung des Landkreises, |
30.01.2012 |
Stellungnahme des Klägers, |
09.02.2012 |
Stellungnahme des Landkreises, |
07.03.2012 |
Stellungnahme der DRV, |
07.03.2012 |
Beiladungsbeschluss, richterlicher Hinweis an die Beteiligten, |
02.04.2012 |
Stellungnahme des Klägers, |
11.04.2012 |
Stellungnahme des Landkreises, |
17.04.2012 |
Erwiderung des Klägers, |
18.05.2012 |
Erwiderung des Landkreises, |
04.07.2012 |
Stellungnahme der DRV, |
04.09.2012 |
Ruhensanfrage des SG, |
10.09.2012 |
Stellungnahmen von Kläger und Landkreis zur Ruhensanfrage, |
17.10.2012 |
Stellungnahme der DRV zur Ruhensanfrage, |
29.10.2012 |
erneute Stellungnahme des Klägers zum Ruhen, |
14.11.2012 |
richterlicher Hinweis an die Beteiligten, Aufklärungsschreiben an den Kläger, die DRV und das Sächsische Landessozialgericht (LSG) zum Stand des Eilverfahrens L 4 KN 188/12 B ER, |
03.12.2012 |
Stellungnahme des Klägers, |
04.01.2013 |
Stellungnahme des Landkreises, |
11.01.2013 |
Erwiderung des Klägers, |
25.01.2013 |
Übersendung der Gerichts- und Verwaltungsakten an das LSG zum Eilverfahren L 4 KN 188/12 B ER, |
06.02.2013 |
Stellungnahme der DRV, |
07.02.2013 |
Stellungnahme des Landkreises, |
17.05.2013 |
Anfrage des SG zum Stand des Eilverfahrens L 4 KN 188/12 B ER, |
09.07.2013 |
Rücklauf der Akten vom LSG, |
16.08.2013 |
ergänzende Ausführungen des Klägers (vom SG an die übrigen Beteiligten zur Stellungnahme bis 20.09.2013 übersandt), |
18.09.2013 |
Verzicht auf Stellungnahme durch die DRV, |
24.09.2013 |
Stellungnahme des Landkreises, |
16.12.2013 |
Mediationsanfrage des SG an die Beteiligten zur Äußerung bis 27.01.2014, |
02.01.2014 |
Stellungnahme des Klägers in der Sache, Ablehnung einer Mediation, |
21.01.2014 |
Ablehnung einer Mediation durch die DRV, |
14.02.2014 |
ergänzende Ausführungen des Klägers, |
26.06.2014 |
Sachstandsanfrage des Klägers, |
27.06.2014 |
Hinweis des SG auf ältere Verfahren und Inaussichtstellen einer Entscheidung bis Ende 2014, |
23.01.2015 |
Verzögerungsrüge des Klägers, |
20.02.2015 |
Gerichtsbescheid (abgesandt 23.02.2015, zugegangen der DRV am 24.02.2015, dem Kläger am 25.02.2015 und dem Landkreis am 26.02.2015). |
2. Instanz |
L 5 KN 198/15 |
05.03.2015 |
Berufungsschrift mit Begründung, |
01.04.2015 |
Berufung... |