Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Pflegeversicherung. Abgrenzung der Leistungspflicht bei Versorgung mit Inkontinenzhilfen. keine Versorgung durch Träger der stationären Pflegeeinrichtung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Abgrenzung der Leistungspflicht von Krankenkasse und stationärer Pflegeeinrichtung bei der Versorgung einer hochgradig dementen, inkontinenten Versicherten mit Inkontinenzhilfen.
2. Der Träger einer stationären Pflegeeinrichtung ist - außerhalb von Notfällen - nicht berechtigt, pflegebedürftige Versicherte mit Inkontinenzmaterial zum Behinderungsausgleich oder zur Behandlungspflege zu versorgen, weil er nach Maßgabe des § 126 Abs 1 SGB 5 in der Fassung des GRG in seiner Funktion als Erbringer stationärer Pflegeleistungen kein zugelassener Leistungserbringer im Hilfsmittelbereich ist. Ein gleichwohl zwischen dem Träger der stationären Pflegeeinrichtung und dem Versicherten zustande gekommener Vertrag ist nach § 32 SGB 1 nichtig, wenn der Versicherte nicht über den fehlenden Zulassungsstatus und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen aufgeklärt worden ist.
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 30. März 2006 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.106,50 € festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Freistellung von den Kosten für Inkontinenzhilfen.
Die 1943 geborene und im Januar 2005 verstorbene Ehefrau des Klägers, die bei der beklagten Krankenkasse versichert war, (im Folgenden: Versicherte) litt unter schwerer Demenz vom Alzheimer-Typ und kompletter Stuhl- und Harninkontinenz. Sie war seit Mai 2002 in dem zu 2 beigeladenen Pflegeheim untergebracht und bezog seit Oktober 2002 vollstationäre Pflegeleistungen der Pflegestufe III. Am 03.03.2003 verordnete ihr die Internistin Dr. W1 Inkontinenzhilfen zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben als Dauerversorgung. Nach einem Kostenvoranschlag der M... GmbH sollten dafür 41,41 € monatlich aufzubringen sein. Die Beklagte zog das Pflegegutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 22.01.2003 bei und lehnte mit Bescheid vom 25.03.2003 die Übernahme der Kosten für Inkontinenzmaterial ab, weil dieses ausschließlich der Erleichterung der Pflege diene. Mit Schreiben vom 01.04.2003 beantragte die Betreuerin der Versicherten nochmals die Kostenübernahme; das Inkontinenzmaterial werde nicht zur Erleichterung der Pflege, sondern zur Teilnahme am täglichen Leben im Wohnbereich benötigt. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des MDK vom 15.04.2003 ein und lehnte mit Bescheid vom 30.04.2003 erneut die Kostenübernahme unter Verweis auf die Zuständigkeit des Pflegeheims ab. Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch machte die Versicherte geltend, sie nehme fast täglich am Leben in der Gemeinschaft teil und sei somit auf die Versorgung mit Inkontinenzmaterial angewiesen. Die Internistin Dr. W1 betonte in einem Attest vom 20.05.2003, bei dem verordneten Inkontinenzmaterial handele es sich keineswegs lediglich um eine Pflegeerleichterung für das Personal. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des MDK vom 14.07.2003 ein. Außerdem lag ihr ein weiteres Attest der Internistin Dr. W1 vom 09.08.2003 vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.11.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei den beantragten Inkontinenzartikeln handele es sich weder um individuell angepasste Hilfsmittel noch dienten sie der Befriedigung eines allgemeinen Grundbedürfnisses außerhalb des Pflegeheims. Der Versicherten sei aufgrund ihres Gesundheitszustandes eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben nicht mehr möglich. Die Versorgung mit Inkontinenzartikeln diene ausschließlich der Pflegeerleichterung.
Die Versicherte hat am 23.12.2003 beim Sozialgericht Leipzig (SG) Klage erhoben. Nach ihrem Tod im Januar 2005 hat ihr Ehemann als Erbe die Klage weiterverfolgt. Die Versicherte habe trotz zunehmender Demenz an allen gesellschaftlichen Veranstaltungen des Pflegeheims aktiv teilgenommen. Auch dienten Inkontinenzmittel nicht vorrangig der Pflegeerleichterung, sondern vorrangig dazu, die sozial stigmatisierenden und dadurch die Vereinsamung fördernden Folgen einer Inkontinenz aufzufangen. Allein für ausschließlich bettlägerige Heimbewohner ließe sich ein Vorrang der Pflegeerleichterung vertreten. Die Beklagte hat erwidert, nach dem Pflegegutachten des MDK vom 22.01.2003 sei von einem absoluten Pflegefall auszugehen, bei dem von einer aktiven Teilnahme am gesellschaftlichen Leben nicht die Rede sein könne.
Mit Gerichtsbescheid vom 30.03.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Grundsätzlich könnten Versicherte Inkontinenzhilfen als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung beanspruchen, wenn sie aufgrund ihrer Krankheit oder Behinderung die Fähigkeit zur selbständigen Harn- und Stuhlentleerung verloren hätten. Doch ende die Pflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zur Ver...