Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung vertragsärztlicher Leistungen. Prinzip der Vorjahresanknüpfung gilt auch für die Vereinbarung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung im Jahr 2013. Anpassung des Behandlungsbedarfs auf der Grundlage der Veränderungen im Vergleich zum Vorjahr. keine Rückwirkung von § 87a Abs 4a SGB 5
Leitsatz (amtlich)
1. Auch für die Vereinbarung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung im Jahr 2013 gilt das Prinzip der Vorjahresanknüpfung (vgl BSG vom 13.8.2014 - B 6 KA 6/14 R = BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2).
2. § 87a Abs 4 SGB V bietet keine Grundlage für eine nicht auf Veränderungen im Vergleich zum Vorjahr beruhende Anpassung des Behandlungsbedarfs.
3. Eine weitergehende Anpassung unter Berücksichtigung eines Nachholbedarfs im Vergleich zum Vergütungsniveau anderer Kassenärztlicher Vereinigungen - wie nunmehr in § 87a Abs 4a SGB V (idF vom 23.7.2015) vorgesehen - konnte im Jahr 2013 nicht rechtmäßig vereinbart oder vom Schiedsamt festgesetzt werden.
Tenor
I. Der Schiedsspruch des Beklagten vom 15. April 2013 wird insoweit aufgehoben, als in der Nr. 1.1 unter Berücksichtigung der Morbidität und Beachtung der Demografie in Sachsen die MGV für das Jahr 2013 um 2,81 % erhöht wird, und der Beklagte wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Anpassung des Behandlungsbedarfs neu zu entscheiden.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 2.500.000,00 EUR festgesetzt, jedoch für die Zeit bis zur Verbindung hinsichtlich der ehemaligen Klage L 8 KA 16/13 KL auf 75.266,54 EUR und hinsichtlich der ehemaligen Klage L 8 KA 18/13 KL auf 2.500.000,00 EUR.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruchs des beklagten Landesschiedsamts betreffend die Festsetzung der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen für das Jahr 2013.
Die zu 1. klagende Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) sowie die zu 2. bis 7. klagenden Krankenkassen und Landesverbände der Krankenkassen sowie Ersatzkassen führten im Oktober und November 2012 Verhandlungen zur Vergütung vertragsärztlicher Leistungen für das Jahr 2013 und damit auch zu den morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen (MGVen) gemäß § 87a Abs. 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Die Klägerin zu 1. hatte mit Schreiben vom 30.10.2012 u.a. eine Anpassung des Behandlungsbedarfs im Sinne des § 87a Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 SGB V gefordert, in der nicht nur eine Anpassung nach der prognostizierten morbiditätsbedingten Veränderungsrate für das Jahr 2013 gemäß § 87a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 SGB V enthalten sein sollte (+1,7522 %), sondern darüber hinaus eine weitere Anpassung entsprechend der “tatsächlichen Morbiditätsentwicklung in Sachsen im Jahr 2012„ (+1,95 %), da die gesetzlich angeordnete Anpassung gemäß § 87d SGB V in Höhe von 1,25 % unzureichend gewesen sei, sowie eine Anpassung “an den bundesdurchschnittlichen Behandlungsbedarf„ (+2,35 %) und eine Anpassung “an die überdurchschnittliche Morbidität in Sachsen„ (+8,00 %). Die Kläger zu 2. bis 7. entgegneten, dass diese Forderungen den gesetzlichen Vorgaben widersprächen.
Die Klägerin zu 1. erklärte die Verhandlungen daraufhin am 16.11.2012 für gescheitert und rief am gleichen Tage das beklagte Landesschiedsamt an. Mit Schriftsatz vom 22.11.2012 beantragte sie die Festsetzung der Gesamtvergütungsvereinbarung für das Jahr 2013 entsprechend ihren bisherigen Forderungen, wobei sie weitere Anträge zu Details der Vereinbarung ergänzte. Die Kläger zu 2. bis 7. traten den Anträgen mit Schriftsatz vom 14.01.2013 überwiegend, insbesondere hinsichtlich der morbiditätsbedingt begründeten Anpassung des Behandlungsbedarfs entgegen und stellten ihrerseits weitere Anträge.
Die Beteiligten erzielten im Verlauf des Schiedsverfahrens über die meisten Detailregelungen Einigkeit, insbesondere über die Festsetzung des regionalen Punktwerts nach § 87a Abs. 2 Satz 1 SGB V, über Zuschläge auf den Orientierungswert für besonders förderungswürdige Leistungen nach § 87a Abs. 2 Satz 3 SGB V sowie über die morbiditätsbedingte Veränderungsrate für das Jahr 2013 nach § 87a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 SGB V in Höhe von +1,29 % bei einer Gewichtung der beiden vom Bewertungsausschuss empfohlenen Anpassungsfaktoren (+0,5677 % und +1,7522 %) von 61 % zu 39 %.
Die Klägerin zu 1. beantragte zuletzt nur noch, den Behandlungsbedarf - wie es in einem Schreiben vom 01.02.2013 heißt - zur Schaffung einer “angemessenen Ausgangsbasis für die Anwendung der Veränderungsrate gemäß § 87a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB V„ unter Berücksichtigung der besonderen Morbidität und Beachtung der Demografie in Sachsen um weitere +12,88 % anzupassen. Da in ihrem Bezirk eine im Bundesvergleich weit überdurchschnittliche Morbidität vorzufinden sei, könne es nicht dabei bleiben, dass ein im Bundesvergleich unterdurchschnittlicher Behandlungsbedarf berücksichtigt werde bzw. dementsprechend auch die MGV pro Versicherten unterdurchschnittlich sei. Vie...