Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung. Wahrung des gesetzlichen Mindesterstattungssatz nach § 9 Abs. 2 Nr 1 AAG durch die Satzung einer Krankenkasse. Erstattungssatz. Satzungsregelung. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Arbeitgeber kann keine Ansprüche daraus herleiten, dass ein auf ihn nicht anwendbarer satzungsrechtlicher Erstattungssatz den gesetzlichen Mindestsatz des § 9 Abs 2 Nr 1 AAG unterschreiten würde.
2. Bei der Prüfung, ob eine Satzungsregelung den gesetzlichen Mindesterstattungssatz nach § 9 Abs 2 Nr 1 AAG wahrt, sind die Aufwendungen nach § 1 Abs 1 Nr 1 und 2 AAG nicht jeweils für sich allein zu beurteilen, sondern ist eine Gesamtbetrachtung beider Aufwendungsarten anzustellen.
Orientierungssatz
Weder aus dem Gebot der Normenklarheit noch aus dem Transparenzgebot lassen sich weitergehende Erstattungsansprüche herleiten.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG).
Der Kläger ist als Rechtsanwalt selbständig tätig und beschäftigt nicht mehr als 30 Arbeitnehmer, darunter eine Sekretärin, die bei der beklagten Krankenkasse versichert ist. Diese Krankenkasse bestimmte - soweit hier von Interesse - in § 39 ihrer Satzung (in der ab 01.01.2009 geltenden Fassung):
(1) Die AOK PLUS erstattet
1. den nach § 1 Abs. 1 AAG ausgleichsberechtigten Arbeitgebern für Aufwendungen bei Arbeitsunfähigkeit 60 vom Hundert des an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen fortgezahlten Arbeitsentgeltes ...
2. ...
(2) Hat der Arbeitgeber den ermäßigten Umlagesatz nach § 38 Abs. 2 Nr. 2 gewählt, erstattet die AOK PLUS 45 vom Hundert der in Absatz 1 Nr. 1 aufgeführten Aufwendungen bei Arbeitsunfähigkeit.
(3) Mit den genannten Erstattungssätzen sind auch die auf die erstattungsfähigen Aufwendungen entfallenden Arbeitgeberanteile der Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung abgegolten.
Der Kläger hatte bei der Beklagten für den Ausgleich der Aufwendungen bei Arbeitsunfähigkeit nach § 1 Abs. 1 AAG (U1-Verfahren) den allgemeinen Umlagesatz mit einem Erstattungssatz von 60 % gewählt. Seine Sekretärin war vom 19.01.2009 bis zum 23.01.2009 arbeitsunfähig und erhielt vom Kläger Entgeltfortzahlung (Bruttoarbeitsentgelt von 372,14 EUR zuzüglich des Arbeitgeberanteils zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag von 70,08 EUR). Die Erstattung dieser Krankheitsaufwendungen beantragte der Kläger am 28.01.2009. Die Beklagte erstattete ihm daraufhin 223,27 EUR, mithin 60 % des fortgezahlten Bruttoarbeitsentgelts; für den entrichteten Arbeitgeberanteil zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag lehnte sie dagegen eine Erstattung ab (Bescheid vom 16.02.2009). Mit seinem Widerspruch vom 18.02.2009 rügte der Kläger, dass der tatsächliche Erstattungssatz nicht bei 60 %, sondern bei 50,5 % liege. Die dem zugrunde liegende Satzungsbestimmung verstoße gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG, der es zwar erlaube, durch Satzungsrecht die Höhe der Erstattung zu beschränken, es aber nicht zulasse, den Arbeitgeberanteil vollständig von der Erstattung auszunehmen. Darüber hinaus verstoße die Satzungsregelung gegen das Transparenzgebot, weil sie einen Vergleich mit anderen Krankenkassen, welche die Arbeitgeberanteile erstatteten, zumindest erschwere. Die Beklagte wies den Widerspruch unter Verweis auf die Regelungen in § 39 ihrer Satzung zurück (Widerspruchsbescheid vom 23.04.2009).
Der Kläger hat am 18.05.2009 vor dem Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben. Er habe nicht nur Anspruch auf Erstattung von 60 % des fortgezahlten Bruttoarbeitsentgelts, sondern auch von 60 % der Arbeitgeberanteile, mithin insgesamt von 265,33 EUR, woraus sich eine offene Differenz von 42,05 EUR ergebe. Die Satzungsregelung, wonach die Arbeitgeberanteile bei der Berechnung der Erstattung nicht berücksichtigt würden, verstoße gegen § 9 AAG, zumal sich für Arbeitgeber mit einem Erstattungssatz von 45 % ein Erstattungsbetrag errechne, der unter dem gesetzlichen Mindestsatz von 40 % liege.
Das SG hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen (Urteil vom 22.12.2009). Die Beklagte habe in Anwendung des § 39 ihrer Satzung den Erstattungsbetrag richtig berechnet. Die Satzung verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Sie entspreche der Ermächtigungsgrundlage des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AAG, wonach die Satzung die Höhe der Erstattung nach § 1 Abs. 1 AAG beschränken und verschiedene Erstattungssätze, die 40 % nicht unterschritten, vorsehen könne. Die Grundlagen der Berechnung würden nicht geändert. Errechne man einen Gesamterstattungssatz aus fortgezahltem Arbeitsentgelt und Arbeitgeberanteilen zum Gesamtsoz...