Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung. Entschädigung für eine Enteignung nach dem AusglLeistG. Zufluss erst zum Zeitpunkt der konstitutiven Feststellung durch Behördenbescheid hier nach Antragstellung. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
Die Berechtigtenstellung nach dem seit dem 1.12.1994 geltenden Gesetz über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können (Ausgleichsleistungsgesetz, juris: AusglLeistG), ist nicht mit dem Pflichtteilsanspruch eines ausgeschlossenen Erben nach § 2303 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu vergleichen. Daher ist von einem Zufluss der Ausgleichsleistung iS des SGB 2 erst auszugehen, wenn über den Anspruch nach dem Ausgleichsleistungsgesetz mit Bescheid der zuständigen Behörde konstitutiv entschieden wurde und diese zur Auszahlung kommt.
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die bedarfsmindernde Anrechnung einer Ausgleichsleistung nach dem seit dem 01.12.1994 geltenden Gesetz über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können (Ausgleichsleistungsgesetz vom 27.09.1994 ≪BGBl. I. S. 2624≫ in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.07.2004 ≪BGBl. I S. 1665≫, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21.03.2011 ≪BGBl. I S. 450≫ - AusglLeistG).
Der 1950 geborene Kläger zu 1 und die 1957 geborene Klägerin zu 2 sind verheiratet und leben zusammen. Sie beziehen seit dem 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Beklagte bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 09.11.2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 14.01.2010 und vom 03.05.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01.12.2009 bis 31.12.2009 i.H.v. 961,18 € für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.04.2010 i.H.v. 969,34 € und für Mai 2010 i.H.v. 979,44 €. Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 30.04.2010 bewilligte er ihnen mit Bescheid vom 19.05.2010, der am selben Tag zur Post gegeben wurde, für die Zeit vom 01.06.2010 bis 30.11.2010 monatliche Leistungen in Höhe von 979,44 €, davon - wie bereits im Mai 2010 - Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 333,44 €.
Die Klägerin zu 2 ist die (Adoptiv-)Tochter des 1901 geborenen F… W… R… und seiner 1908 geborenen Ehefrau C… R…. W… R… war einer von fünf Söhnen des F… J…R…, der Inhaber der Firma F… R…, Z…- und M… in Z… war. Mit Gesellschaftsvertrag vom 01.01.1940 hatte F… R… zwei seiner Söhne als persönlich haftende Gesellschafter und seine drei weiteren Söhne, u.a. W… R…, als Kommanditisten zur Gründung einer Kommanditgesellschaft in seine Firma aufgenommen, wobei W… R… zu 10 % am Gewinn und Verlust der Firma beteiligt war. Die Fabrikgrundstücke, die Maschinen, das Kontor- und Fabrikinventar nebst allen Einrichtungen usw., die damals im persönlichen Eigentum des Großvaters der Klägerin zu 2 standen, wurden nicht in die Kommanditgesellschaft eingebracht. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Unternehmen F… R…, Z…- und M… in Z…, auf der Liste A für den damaligen Landkreis Flöha der Unternehmen, die aufgrund des Volksentscheides in das Eigentum des Volkes überführt werden sollten, unter der laufenden Nr. 29 aufgeführt, nachdem es vorher beschlagnahmt und unter Zwangsverwaltung gestellt worden war. Mit Schreiben vom 23.01.1948 wurde F… R… darüber informiert, dass seine Grundstücke sowie das laut Gesellschaftsvertrag vom 22.07.1941 an das Unternehmen verpachtete Inventar zum Betriebsvermögen gehörten und von der Enteignung des Unternehmens mit erfasst seien. Die Enteignungsurkunde der Landesregierung Sachsen (laufende Nr. 899) stammt vom 01.07.1948.
Nachdem W… R… am 01.10.1985 und C… R… am 23.01.1986 verstorben waren, sind die Klägerin zu 2 und H.. R… deren Erben geworden (notarielles Testament vom 05.07.1983). Am 11.09.1990 beantragte die Cousine der Klägerin zu 2, E… U…, u.a. im Namen der Klägerin zu 2 sowie aller anderen Miterben des F… R… die Rückübertragung der Grundstücke bzw. des ehemaligen Unternehmens F… R…, später "VEB P… K… Z…".
Mit Bescheid der Landesdirektion D… vom 23.04.2010 wurde festgestellt, dass die Klägerin zu 2 und H… R… in Erbengemeinschaft nach W… R… Berechtigte i.S.d. AusglLeistG bezüglich des Verlusts von dessen Kommanditbeteiligung am früheren Unternehmen der Firma F… R… in Z… sind. Die Höhe der Ausgleichsleistung für den genannten Vermögenswert werde auf 13.804,88 € festgesetzt. Die Ausgleichsleistung werde ab dem 01.01.2004 bis zu dem Kalendermonat vor der Bekanntgabe des Bescheides verzinst (Zinssatz 0,5 ...