Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Gerichtsbescheid. unzulässiger Antrag auf mündliche Verhandlung. keine Verwerfung durch Beschluss. Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags. Zulässigkeit. zulässiges Rechtsmittel. Meistbegünstigungsgrundsatz. Spruchkörperbesetzung bei Beschwerdeentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Sozialgericht, das einen Antrag auf mündliche Verhandlung iS von § 105 Abs 2 S 2 SGG als verspätet und gegebenenfalls die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als nicht gegeben ansieht oder den Antrag aus sonstigen Gründen als unzulässig erachtet, darf den Antrag wegen einer fehlenden Rechtsgrundlage nicht durch Beschluss verwerfen, sondern muss über ihn durch Urteil auf Grund mündlicher Verhandlung, sofern nicht auf eine solche verzichtet wird, entscheiden.

2. Der Zulässigkeit einer Beschwerde steht nicht entgegen, dass das Sozialgericht über den Antrag auf mündliche Verhandlung durch Urteil statt wie geschehen durch Beschluss hätte entscheiden müssen. Denn einem Kläger darf kein Nachteil dadurch erwachsen, dass er von dem Rechtsmittel Gebrauch gemacht hat, auf das er durch das Gericht hingewiesen worden ist. Vielmehr ist in einem solchen Fall nach dem Grundsatz der sogenannten Meistbegünstigung sowohl das Rechtsmittel zulässig, das gegen die gewählte Entscheidungsform zulässig wäre, als auch das Rechtsmittel, das gegen die richtige Entscheidungsform zulässig gewesen wäre.

3. Über eine Beschwerde gegen einen Beschluss eines Sozialgerichtes, mit dem dieses einen Antrag auf mündliche Verhandlung im Sinne von § 105 Abs 2 S 2 SGG als unzulässig verworfen hat, entscheidet das Landessozialgericht in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern.

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 13. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.

Es wird festgestellt, dass das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Chemnitz mit dem Aktenzeichen S 37 AS 1688/14 durch den Gerichtsbescheid vom 24. Februar 2015 wirksam beendet ist.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger wenden sich mit ihren Beschwerden gegen einen Beschluss des Sozialgerichtes, mit dem ihre Anträge auf mündliche Verhandlung zu einem Gerichtsbescheid als unzulässig verworfen worden sind. Im Klageverfahren waren höhere Leistungen für den Zeitraum von April 2009 bis September 2009 streitig.

Der 1965 geborene erwerbsfähige Kläger zu 1 und die 1978 geborene erwerbsfähige Klägerin zu 2 bildeten zusammen mit ihren 1995, 1997, 2003, 1999 und 2005 geborenen Kindern, den Klägern zu 3 bis 7, im streitbefangenen Zeitraum eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des Sozialgesetzbuches Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Für ihre 107,99 m² große Wohnung hatten sie monatlich 686,93 EUR (= 496,93 EUR + 190,00 EUR [Nebenkosten]) zu zahlen.

Der Beklagte bewilligte den Klägern mit bestandskräftigem Bescheid vom 5. März 2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 16. März 2009 und 6. Juni 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für April bis September 2009. Als monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung wurde ein Gesamtbetrag in Höhe von 655,04 EUR anerkannt. Bei den Klägern zu 3 bis 7 wurde jeweils Kindergeld ohne Abzüge als Einkommen angerechnet.

Die Kläger beantragten mit Schreiben vom 27. Dezember 2012 die Überprüfung dieses Bescheides. Sie machten geltend, dass die Bescheide zumindest hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung rechtswidrig seien.

Mit bestandskräftigem Änderungsbescheid vom 18. April 2012 hob der Beklagte die monatlichen Leistungsbewilligungen geringfügig an. Er berücksichtigte jetzt die tatsächlichen Unterkunfts- und Heizungskosten.

Die nunmehr anwaltlich vertretenen Kläger beantragten mit Schriftsatz vom 15. Juli 2013 die Überprüfung des Bescheides vom 18. April 2012. Wiederum wurde gerügt, dass die Kosten für Unterkunft und Heizung zu gering seien. Ergänzend wurde vorgetragen, dass bei den Kindern die Versicherungspauschale in Abzug zu bringen sei. Außerdem seien die Nachzahlungsbeträge, welche sich aus dem Bescheid vom 18. April 2012 ergeben würden, von Amts wegen zu verzinsen. Schließlich seien die Regelsätze für Erwachsene und für Minderjährige verfassungswidrig.

Den zweiten Überprüfungsantrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 19. Dezember 2013 ab. Bei dem Erlass des Bescheides vom 18. April 2012 sei das Recht richtig angewandt und es sei von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden. Ferner wurde angemerkt, dass ein Überprüfungsantrag ohne Sach- und Rechtsprüfung abzulehnen sei, soweit er aufgrund der Jahresfrist nach § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Verbindung mit § 44 Abs. 4 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) keine Auswirkungen mehr haben könne.

Ihren Widerspruch im Schriftsatz v...

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