Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer Ein-Personen-UG. Vertrag zwischen UG und einer GmbH über stationäre Pflegedienstleistungen auf Honorarbasis. faktisches Beschäftigungsverhältnis. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage, ob ein Dienstleistungsvertrag mit einer Ein-Personen-UG ein Beschäftigungsverhältnis des alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers der Ein-Personen-UG mit einer GmbH ausschließt.

2. Mit Antritt der Beschäftigung als stationäre Pflegefachkraft im Krankenhaus der GmbH beendete der Kläger faktisch seine Organstellung als Geschäftsführer der UG, da er sich vollständig dem Weisungsrecht der gesamtverantwortlichen GmbH unterordnete und sich in deren fremdbestimmten organisatorischen Rahmen und deren Betriebsabläufe eingliederte.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.07.2023; Aktenzeichen B 12 BA 1/23 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 19. November 2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten des Klägers und der Beigeladenen zu 1 und 5 sind weder für die erste Instanz noch für die zweite Instanz zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Sozialversicherungspflicht des Klägers als Pflegefachkraft in einem Krankenhaus in der Zeit vom 03.06.2017 bis 31.08.2017 und 11.11.2017 bis 31.12.2017 auf der Grundlage von Dienstleistungsverträgen, die die Krankenhausträgerin (die Beigeladene zu 1) mit der Beigeladenen zu 5 (einer Unternehmergesellschaft ≪UG≫ [haftungsbeschränkt]) geschlossen hatte.

Der alleinige Gesellschafter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Geschäftsführer der Beigeladenen zu 5 ist der 1980 geborene Kläger, der ausgebildeter Krankenpfleger ist. Dieser gründete die Beigeladene zu 5 mit Gesellschaftsvertrag vom 11.04.2016 als UG (haftungsbeschränkt), welche am 22.04.2016 in das Handelsregister des Amtsgerichts A.... unter HRB …. eingetragen wurde. Gegenstand des Unternehmens ist die selbstständige Erbringung aller Arten von Pflegedienstleistungen im ambulanten und stationären Bereich, die Beratung im Bereich der Alten- und Krankenpflege und Gesundheitsvorsorge. In dem zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 5 am 08.04.2016 abgeschlossenen Anstellungsvertrag waren u.a. folgende Regelungen vereinbart (zu den weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 82 bis 84 d. GA verwiesen):

… § 4 Arbeitszeit/Nebentätigkeit

1. Der Geschäftsführer wird der Gesellschaft seine Arbeitskraft in angemessenem Umfang zur Verfügung stellen.

2. Der Geschäftsführer ist berechtigt, eine entgeltliche oder unentgeltliche Nebentätigkeit außerhalb der Gesellschaft fortzuführen bzw. zu übernehmen, sofern deren Ausübung nicht gegen die Interessen der Gesellschaft verstößt. …

§ 6 Bezüge

1. Der Geschäftsführer erhält ein monatliches Bruttogehalt von 500,00 €. Die Vergütung ist jeweils am 25. Kalendertag des Monats fällig.

2. Der Geschäftsführer erhält eine Tantieme in Höhe von 15 % des Jahresgewinns, welcher nach Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung festgesetzt und anschließend in einer Summe ausgezahlt wird. …

3. Der Geschäftsführer erhält ein jährliches Urlaubsgeld von 500,00 €, welches im Monat November eines Jahres zu zahlen ist.

4. Die Gesellschaft kann ferner für die Dauer dieses Vertrages dem Geschäftsführer einen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe des Arbeitgeberanteils gewähren, wie er bei Krankenversicherungspflicht bestünde; höchstens jedoch in Höhe der Hälfte des Betrages, welchen der Geschäftsführer für seine Krankenversicherung aufzuwenden hat. …

§ 7 Bezüge bei Krankheit und Tod

1. Bei einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit des Geschäftsführers, die durch Krankheit oder aus einem anderen von ihm nicht zu vertretenden Grund eintritt, wird die Vergütung gemäß § 6 für die Dauer von 42 Kalendertagen fortgezahlt. …

§ 8 Sonstige Leistungen

1. Trägt der Geschäftsführer im Rahmen seiner ordnungsgemäßen Geschäftsführertätigkeit Kosten und Aufwendungen, so werden sie ihm von der Gesellschaft erstattet, sofern der Geschäftsführer die Geschäftsführungs- und Betriebsbedingtheit belegt oder sie offenkundig ist. ….

§ 9 Versicherungen

Die Gesellschaft wird für den Geschäftsführer in berufsüblicher Form eine Unfall- und eine Haftpflichtversicherung abschließen. Die Kosten dafür trägt die Gesellschaft.

§ 10 Urlaub

1. Der Geschäftsführer hat Anspruch auf 30 Arbeitstage (Samstag ist kein Arbeitstag) bezahlten Urlaub im Geschäftsjahr. …

§ 11 Dauer, Kündigung …

Die Beigeladene zu 5 schloss unter dem 08.06.2016 für den Kläger eine Berufshaftpflichtversicherung (Berufsart: Krankenpfleger/-schwester, freiberuflich, staatlich geprüft - auf Honorarbasis, ambulante und stationäre Krankenbetreuung inkl. intensivmedizinische Betreuung) mit Beginn zum 01.01.2015 bei der Allianz Versicherungs-AG ab. Vom 04.07.2016 bis 30.06.2019 beschäf...

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