Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung. Rehabilitationseinrichtung ≪hier: psychosomatische Rehabilitation≫. Bedarfsgerechtigkeit. Gemeinwohl
Leitsatz (amtlich)
Bei der Zulassung einer stationären Reha-Einrichtung durch Versorgungsvertrag ist jedenfalls in den Fällen nicht zusätzlich auf das Merkmal der Bedarfsgerechtigkeit abzustellen, in denen Gründe des Gemeinwohls vorliegen, die der Zulassung entgegenstehen.
Normenkette
SGB V § 111 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 40 Abs. 1; GG Art. 12 Abs. 1
Verfahrensgang
SG Dresden (Urteil vom 04.05.2000; Aktenzeichen S 16 KR 131/96) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Abschluss eines Versorgungsvertrages für eine Rehabilitationsklinik zur Durchführung psychosomatischer Rehabilitation.
Am 9. Februar 1995 stellte die Klägerin, Fachärztin für Psychotherapie und Physiotherapie, die in Berlin eine Arztpraxis für Psychotherapie betreibt, bei den Beklagten zu 5. und 6. einen Antrag auf Abschluss eines Versorgungsvertrages nach § 111 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Sie beabsichtige in Jöhstadt bei Annaberg-Buchholz in einem ehemaligen Betriebsferienheim der DDR (Baujahr 1988) 20 stationäre Behandlungsplätze einzurichten. Die Konzeption der geplanten Klinik, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, sieht folgende Indikationen für die Erforderlichkeit einer psychotherapeutischen Rehabilitation vor:
- Psychoneurotische Erkrankungen, - funktionelle bzw. psychovegetative Organstörungen, - chronische Kontakt- und Arbeitsstörungen bei schweren Persönlichkeitsstörungen, einschließlich Suchttendenzen, - posttraumatische Anpassungsstörungen, Belastungsreaktionen, - psychosomatische Erkrankungen im engeren Sinne, - psychische Störungen und Lebensbeeinträchtigungen im Zusammenhang mit schweren und/oder chronischen Erkrankungen, - unter bestimmten Voraussetzungen psychotische Patienten in Remission mit Kommunikationsstörungen und Schwierigkeiten bei der Krankheitsverarbeitung.
Zu den psychoneurotischen Erkrankungen gehörten Angstneurosen, hysterische Neurosen, Phobien, Zwangsneurosen, depressive Neurosen, die Neurasthenie, das neurotische Depersonalisationssyndrom und die hypochondrische Neurose. Unter Persönlichkeitsstörungen fielen die paranoide, zyklothyme, schizoide, erregbare, anankastische, hysterische, asthenische und die antisoziale Persönlichkeit. Zu den speziellen, nicht klassifizierbaren Syndromen gehörten die Anorexia nervosa, Ticks, spezifische Schlafstörungen, andere nicht näher bezeichnete Essstörungen, die Psychalgie und u. a. auch die Spielsucht. Dem zu Grunde liegt ein ambulant-teilstationäres Rehabilitationskonzept, bestehend aus einer ambulanten Anwärmphase (maximal 20 ambulante Anwärmsitzungen), einer stationären Intensivphase (Rehabilitationskur von vier bis sechs Wochen) sowie einer sich daran anschließenden ambulanten Arbeitsphase (50 Sitzungen sowie 10 Sitzungen für die Abschlussphase).
Die Beklagten holten daraufhin von Dr. L., Fachärztin für Neurologie/Psychiatrie und Fachärztin für Psychotherapie beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung im Freistaat Sachsen e. V. (MDK) eine Stellungnahme zur Konzeption der Rehabilitationsklinik Jöhstadt ein. In ihrer Stellungnahme vom 15. April 1996 führte die Gutachterin u. a. aus, das Therapiekonzept an sich sei positiv zu bewerten, es sei geeignet für die erfolgreiche Behandlung eines großen Patientenkreises mit neurotischen Störungen. Der Behandlungserfolg hänge weitgehend ab von der Einhaltung eines ganz bestimmten Therapie-Arrangements. Nur die Variante A (Durchführung der Rehabilitationskur mit Psychotherapeuten und ihrer Gruppe gemeinsam) werde diesem Arrangement wirklich gerecht. Hier könne höchster Behandlungserfolg erwartet werden. Hier beständen jedoch Vermischungen zwischen stationärer und ambulanter Leistungserbringung und damit organisatorische Probleme. Die Varianten B (Durchführung der Anwärm- und Arbeitsphase am Heimatort und Verschickung der Gruppe geschlossen in die Rehabilitationsklinik zur Intensivzeit) und C (Gruppenzusammenstellung für die Intensivzeit aus Einzeltherapie-Patienten) bergten die Gefahr der Entfernung vom Konzept, von Verwässerung und Behandlungsgefahren. Diese Varianten seien allerdings organisatorisch am besten machbar, sie setzten in der Einrichtung fest angestellte Therapeuten voraus. Hier komme es nicht zur Vermischung zwischen ambulantem und stationärem Leistungserbringer. Die Bettenzahl von 20 sei aus ihrer Sicht nicht wirtschaftlich zu führen. Die Personalplanung sei so knapp bemessen, dass sie die Gefahr von Ausfällen bzw. des Abgleitens in einen uneffektiven Kuraufenthalt berge. Die Vertretbarkeit sei nicht gewährleistet. Aus der baulichen Darstellung sei nicht zu entnehmen, in welchem Zustand das Gebäude als stationäre Reha-Einrichtung funktionieren solle. Im Freistaat Sachsen werde es nach den ihnen bekannten Plänen in absehbarer Zeit mehr als 700 Betten in fünf Rehabilitationseinrichtungen geben für die Hauptindikation "psychosomatische und psychoneurotische Stör...