Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. strafrechtliche Rehabilitierung. DDR-Unrechtshaft. GdS-Feststellung. posttraumatische Belastungsstörung. negative Auswirkungen auf späteren Morbus Crohn. entschädigungsrechtlich nicht berücksichtigungsfähiger Nachschaden. kein Verschlimmerungsanteil
Orientierungssatz
1. Für ein schädigungsbedingtes Leiden im Sinne der Verschlimmerung muss ein bereits in Erscheinung getretenes Krankheitsgeschehen durch das schädigende Ereignis (hier: unrechtmäßige Inhaftierungen in DDR) verstärkt oder beschleunigt worden sein.
2. Wirkt sich eine unmittelbar durch DDR-Unrechtshaft bedingte posttraumatische Belastungsstörung negativ auf einen erst später entstandenen Morbus Crohn aus, ist der Morbus Crohn nur als ein so genannter "Nachschaden" anzusehen, der nicht entschädigungspflichtig ist und zu keiner Erhöhung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) führen kann.
3. Insoweit kommt auch kein Verschlimmerungsanteil in Betracht.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 4. Januar 2012 wird zurückgewiesen, soweit sie über das Teilanerkenntnis vom heutigen Tag hinausgeht.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung seiner Erkrankung an Morbus Crohn (entzündliche Darmerkrankung) als weitere Schädigungsfolge vom Beklagten verbunden mit der Feststellung eines höheren Grades der Schädigung von wenigstens 50 v.H.
Der 1966 geborene Kläger war in der Zeit vom 13.08.1984 bis zum 14.08.1985 sowie in der Zeit vom 13.10.1988 bis 17.11.1989 wegen versuchten ungesetzlichen Grenzübertritts in einem schweren Fall rechtsstaatswidrig inhaftiert. Mit Rehabilitierungsbescheinigung vom 13.06.2005 nach §§ 17, 22 des beruflichen Rehabilitierungsgesetzes sowie Rehabilitierungsbescheid vom 14.06.2005 nach § 1 des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes wurde der Kläger nach Vollendung der Deutschen Einheit beruflich und verwaltungsrechtlich rehabilitiert. Das Landgericht Z. erklärte mit Beschluss vom 16. August 2001 das Urteil des Kreisgerichts Z.-Stadt vom 22. Dezember 1988 (Az.: 32 S 596/88) für rechtsstaatswidrig und hob es auf. Danach hat der Kläger in der Zeit vom 13. Oktober 1988 bis zum 17. November 1989 zu Unrecht Freiheitsentzug erlitten. Ob auch der erste Haftaufenthalt in der Zeit vom 13.08.1984 bis zum 14.08.1985, der auf einem Urteil des Kreisgerichts X. vom 29.10.1984 beruhte, für rechtsstaatswidrig erklärt und das Urteil aufgehoben worden ist, ist dem Senat nicht bekannt.
Mit formlosem Antrag vom 23.06.2005 begehrte der Kläger Versorgung nach dem strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG). Als Schädigung gab der Kläger seine Erkrankung an Morbus Crohn einschließlich deren Folgeschäden an. Die zwei Inhaftierungen hätten psychische sowie physische Schäden verursacht. Seit 1997 seien erstmalig Bauchschmerzen im rechten Unterbauch verbunden mit Durchfällen aufgetreten. In der Zeit zwischen 1997 und April 1999 habe er ca. 20 kg abgenommen. Im April 1999 sei nach erfolgter Koloskopie und Gastroskopie sowie Röntgenuntersuchung nach Sellink erstmalig die Diagnose einer Erkrankung an Morbus Crohn gestellt worden.
Der Kläger ist anerkannt schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 80 (vgl. Bescheid des Amtes für Familie und Soziales Y. vom 13.11.2003 ab dem 01.05.2001). Mit Bescheid vom 23.08.2000 erkannte die LVA dem Kläger aufgrund seiner Erkrankung eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu. Seither bezieht der Kläger dauerhaft Erwerbsunfähigkeitsrente.
Nach Beiziehung medizinischer Behandlungsunterlagen des Klägers, des rentenversicherungsrechtlichen Gutachtens zur Feststellung der Erwerbsunfähigkeit, des Sozialversicherungsausweises des Klägers nahm DM W. versorgungsärztlich am 27.10.2005 Stellung, wonach der Zusammenhang zwischen Inhaftierung und Entstehung der Erkrankung an Morbus Crohn nicht gegeben sei. Erkrankungsbeginn sei erstmals im 1997 gewesen. Brückensymptome seien nicht nachgewiesen.
Mit Bescheid vom 29.11.2005 lehnte der Beklagte die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz ab. Die Morbus-Crohn-Erkrankung sei im Jahr 1999 diagnostiziert worden, nachdem im Jahr 1997 erstmals Bauchschmerzen im rechten Unterbauch aufgetreten seien. Ein Zusammenhang zeitlicher Art zwischen den bis November 1989 zu Unrecht erlittenen Haftstrafen und den erstmals aufgetretenen Erkrankungen sei nicht gegeben. Da bereits der zeitliche Zusammenhang nicht bestehe, könne die geltend gemachte Erkrankung an Morbus Crohn als Haftfolgeschaden nicht anerkannt werden.
Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erstellte Frau D., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, V., ein Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 1. Juli 2006. Ihrer Einschätzung nach leide der Kläge...