Entscheidungsstichwort (Thema)

Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein. Vergütungsanspruch eines privaten Arbeitsvermittlers. Wirksamkeit von Nebenbestimmungen. Rechtmäßigkeit. Nichtigkeit einer auflösenden Bedingung. Gültigkeitszeitraum. keine Überprüfung im Abrechnungsverfahren. Nichtigkeit eines Verwaltungsakts. Befugnisse des privaten Arbeitsvermittlers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Sowohl die Rechtmäßigkeit eines Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein als solche als auch die einer im Gutschein enthaltenen Nebenbestimmung kann nicht im Abrechnungsverfahren zwischen dem privaten Arbeitsvermittler und der Bundesagentur für Arbeit geprüft werden.

2. Zur Frage der Nichtigkeit einer in einem Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein enthaltenen auflösenden Bedingung.

3. Ein Verwaltungsakt ist nicht schon nichtig, wenn die erforderliche Rechtsgrundlage fehlt, es sich um einen sogenannten gesetzlosen Verwaltungsakt handelt. Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, dass der Rechtsordnung zugrundeliegende wesentliche Wertvorstellungen verletzt werden, und dass dies offenkundig ist (Anschluss an BSG vom 9.6.1999 - B 6 KA 76/97 R = SozR 3-5520 § 44 Nr 1 RdNr 29).

4. Maßgebend für die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes oder einer Verfügung in ihm ist die Schwere und nicht die Häufigkeit des Fehlers.

5. Ein privater Arbeitsvermittler ist in Bezug auf einen konkreten Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines nicht befugt, verfahrensrechtlich als Sachwalter des Arbeitsuchenden aufzutreten. Er hat lediglich die Möglichkeit, im Rahmen des Vermittlungsverhältnisses den vorgelegten Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein auf seine Rechtmäßigkeit hin zu prüfen und, wenn er den Gutschein als rechtswidrig einschätzen sollte, seinen Kunden, das heißt den Arbeitsuchenden, darüber zu informieren und ihn auf Rechtsschutzmöglichkeiten hinzuweisen.

 

Normenkette

SGB III § 45 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 4 Sätze 1-2, 3 Nr. 2, S. 4, Abs. 6 Sätze 3, 5-6, Abs. 7 S. 1, § 137 Abs. 1 Nr. 1, § 138 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1, § 421g; SGB X §§ 31, 32 Abs. 2 Nrn. 1-2, Abs. 3, § 39 Abs. 3, § 40 Abs. 1-2

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 06.03.2018; Aktenzeichen B 11 AL 86/17 B)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Dresden vom 6. Januar 2016 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt, die Beklagte zur Zahlung einer Vermittlungsvergütung in Höhe von 1.000,00 EUR zu verurteilen.

Die Beklagte stellte dem Beigeladenen, den das Sozialgericht mit Beschluss vom 30. Juni 2014 beigeladen hat, am 12. April 2012 einen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein aus. Die Geltungsdauer wurde auf die Zeit vom 12. April 2012 bis zum 11. Juli 2012 festgelegt. Der Gutschein berechtigte zur Auswahl "eines zugelassenen Trägers (private Arbeitsvermittlung)". Der Gutschein enthält auf Seite 1 unter der Überschrift "Nebenbestimmungen:" unter anderem folgende Passage:

"Zeitliche Befristung der Zusicherung (Gültigkeitsdauer)

Der festgelegte Zeitraum ist maßgeblich für folgende Aktivitäten:

- Auswahl eines zugelassenen Trägers

- Arbeitsvermittlung durch den ausgewählten Träger

- Aufnahme dieser versicherungspflichtigen Beschäftigung

Die Befristung (Gültigkeitsdauer) endet bei folgenden Ereignissen:

1. Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung

2. Ende des Anspruches auf Arbeitslosengeld

3. [...]"

Auf Seite 2 enthält er folgende Passage:

"Vermittlungsvergütung

Die Vermittlungsvergütung wird unter Einhaltung der regionalen Beschränkungen und unter folgenden Voraussetzungen an den Träger (private Arbeitsvermittlung) gezahlt:

- Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung bzw. in eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum innerhalb der Gültigkeitsdauer des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins

- Aufnahme der vermittelten Beschäftigung innerhalb der Gültigkeitsdauer

- mindestens sechswöchige Dauer der vermittelten Beschäftigung

- Nachweis durch die Vermittlungs- und Beschäftigungsbestätigung

- Einlösung des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines mit dem erforderlichen Nachweis innerhalb der Ausschlussfrist"

Die Klägerin, eine gewerbliche Personalvermittlerin, beantragte am 27. August 2012 die Zahlung von 1.000,00 EUR für die Vermittlung der Beigeladenen. Sie legte ihre Gewerbeummeldung vom 8. September 2011, den Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein sowie die Vermittlungs- und Beschäftigungsbestätigung der Arbeitsgeberin des Beigeladenen, Fa. Y.... GmbH & Co. KG Personaldienstleistungen (Niederlassung X....), vom 8. August 2012 vor. Danach wurde der Arbeitsvertrag am 11. Juni 2012 auf Dauer mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich g...

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