Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Abgrenzung der Einkommens- von der Vermögensberücksichtigung. Erbschaft. Zuflussprinzip. Zeitpunkt des tatsächlichen Geldzuflusses. Teilaufhebung bzw Rücknahme der Leistungsbewilligungen. Verfassungsmäßigkeit des § 40 Abs 2 S 2 SGB 2
Leitsatz (amtlich)
Eine Erbschaft in Geld ist erst ab dem Zeitpunkt des konkreten Zuflusses beim hilfebedürftigen Erben gem § 11 SGB 2 iVm § 2 AlgII-V (juris: AlgIIV) als einmalige Einnahme anzurechnen. Auf den Zeitpunkt des Erbfalls kommt es dabei nicht an.
Orientierungssatz
1. Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB 2 ist grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte. Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (Anschluss an BSG vom 28.10.2009 - B 14 AS 62/08 R mwN). Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb eine nach Antragstellung zugeflossene Erbschaft als Vermögen iS des § 12 SGB 2 bewertet werden sollte. Dies ergibt sich auch nicht aus den Vorschriften des Erbrechts, da der Vermögensbegriff des Erbrechts ein anderer ist als der des § 12 SGB 2.
2. Zur Rechtmäßigkeit der Teilaufhebung bzw Rücknahme von Leistungsbewilligungen gem § 40 Abs 1 S 1, S 2 Nr 1 SGB 2 iVm § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 10, § 330 Abs 3 SGB 3 und gem § 40 Abs 1 S 1, S 2 Nr 1 iVm § 45 Abs 1, Abs 2 S 3 Nr 2 bzw Nr 3 SGB 10, § 330 Abs 2 SGB 3.
3. Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Regelungen des § 40 Abs 2 S 2 SGB 2 teilt der Senat nicht.
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 16. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anrechung einer dem Kläger und Berufungskläger (im Folgenden: Kläger) zugeflossenen Erbschaft bei der Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit von 01.07.2007 bis 30.11.2007.
Der 1951 geborene Kläger bezieht seit 01.01.2005 Leistungen nach dem SGB II, damals noch im Zuständigkeitsbereich der ARGE SGB II A… Land. Von dort wurden ihm mit Bescheid vom 12.10.2006 monatliche Leistungen in Höhe von 597,66 EUR bewilligt.
Laut Sterbeurkunde verstarb der leibliche Vater des Klägers, W… H…, am 25.02.2007 in C…. Ausweislich des Erbscheins vom 12.06.2007 beerbte der Kläger den verstorbenen W… H… zu 1/4. Am 25.06.2007 erhielt der Kläger in dieser Erbschaftssache von Frau H… H… 4.406,04 EUR in bar entsprechend seinem Anteil an der nach Abzug der Beisetzungskosten vorhanden Erbmasse in Höhe von 17.624,15 EUR.
In seinem Fortzahlungsantrag vom 28.03.2007 hatte der Kläger gegenüber der damals zuständigen ARGE SGB II A… Land keine Änderungen in seinen Vermögensverhältnissen angegeben. Daraufhin waren ihm mit Bescheid vom 04.04.2007 weiterhin monatliche Leistungen von 01.05.2007 bis 31.10.2007 in Höhe von 597,66 EUR bewilligt worden. Am 17.04.2007 hatte der Kläger die Zustimmung zum Umzug nach W… ohne Kostenzusage erhalten. Der Umzug war zum 01.06.2007 erfolgt. Mit Bescheid vom 26.07.2007 hob die ARGE SGB II A… Land die Bewilligung ab 01.06.2007 wegen des Wechsels der örtlichen Zuständigkeit auf.
Am 10.04.2007 hatte der Kläger beim Beklagten und Berufungsbeklagten (damals Arbeitsgemeinschaft, jetzt: Jobcenter; im Folgenden: Beklagter) unter Vorlage der Zustimmung zum Umzug der ARGE SGB II A… Land vom 17.04.2007 Leistungen nach dem SGB II beantragt und einen ab 01.06.2007 geltenden Mietvertrag vorgelegt. Unter dem Datum 23.04.2007 hatte er im Zusatzblatt 2.1 (Einkommen) keine Angaben gemacht und im Zusatzblatt 3 (Vermögen) nur das Vorhandensein eines Guthabens auf dem Girokonto bejaht. Der Beklagte hatte ihn aufgefordert, die Ummeldebescheinigung sowie einen Nachweis für die Schwerbehinderung bis zum 15.06.2007 nachzureichen. Mit Bescheid vom 10.05.2007 wurden für die Zeit von 01.06.2007 bis 30.11.2007 monatliche Leistungen in Höhe von 620,55 EUR, mit Änderungsbescheid vom 02.06.2007 aufgrund der Regelsatzerhöhung ab 01.07.2007 monatlich 622,55 EUR bewilligt. Die Meldebestätigung hatte der Kläger mit Schreiben vom 14.06.2007 eingereicht und sich gleichzeitig für die Zeit vom 15.06.2007 bis 23.06.2007 wegen Urlaubs abgemeldet. Am 23.10.2007 beantragte er die Fortzahlung von Leistungen bei unveränderten Verhältnissen. Daraufhin wurden ihm ab 01.12.2007 weiterhin monatliche Leistungen in Höhe von 622,55 EUR bewilligt, so auch auf seinen nächsten Fortzahlungsantrag vom 02.05.2008.
Durch ein anonymes Schreiben erfuhr der Beklagte am 10.07.2008 von der Erbschaft und forderte mit Schreiben vom 16.07.2008 Unterlagen über den Nachlass vom Kläger zwecks Prüfung des Leistungsanspruchs ab August 2007. Diese Unterlagen (Sterbeurkunde, Erbschein u.a.) gelangten am 31.07.2008 zur Akte.
Mit Bescheid vom 01.08.2008 änderte der Beklagte die Bewilligung von Leistungen für den Zeitraum 01...