Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung einer Photodynamischen Therapie bei akuter Bedrohung mit hochgradiger Sehschwäche oder Blindheit. Fehlen einer vorangegangenen Entscheidung des G-BA
Leitsatz (amtlich)
Eine Versicherte, die auf einem Auge nahezu blind (Visus 0,025) und auf dem anderen Auge bereits sehbehindert ist (Visus 0,25), hat auch dann Anspruch auf Übernahme der Kosten der Photodynamischen Therapie, wenn das Medikament Verteporfin im Behandlungszeitraum europarechtlich (EMEA) für die bei der Versicherten bestehende Indikation zugelassen ist, aber der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (jetzt: Gemeinsamer Bundesausschuss) insoweit noch keine entsprechende Empfehlung nach § 135 SGB 5 abgegeben hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn im Zeitpunkt der Behandlung eine nur nach Tagen oder wenigen Wochen bemessene Handlungsfrist verbleibt, um eine akut drohende hochgradige Sehbehinderung oder Blindheit auf dem verbliebenen Auge abzuwenden und keine anderen aussichtsreichen Behandlungsalternativen (mehr) bestehen.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 15. November 2002 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung der Kosten für die Behandlung ihres linken Auges mittels Photodynamischer Therapie (PDT).
Bei der Klägerin wurde am linken Auge eine subretinale Neovaskularisationsmembran bei hoher Myopie diagnostiziert. Da eine herkömmliche thermische Laserbehandlung nicht möglich war, war die Durchführung einer PDT vorgesehen, um eine womöglich innerhalb weniger Wochen eintretende Erblindung der Klägerin zu verhindern. Dem entsprechenden Antrag vom 07.11.2001 fügte die Klägerin einen Befundbericht von Prof. Dr. Dr. W. vom Universitätsklinikum ob eine Kostenübernahme in diesem Einzelfall wegen der dramatischen Entwicklung der Erkrankung der Klägerin empfohlen werden könne. Dr. F. teilte im MDK-Gutachten vom 08.11.2001 (eingegangen bei der Beklagten am 13.11.2001) mit, der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen habe eine Zulassung von Verteporfin für die altersabhängige feuchte Makuladegeneration mit subfoveolärer klassischer chorioidaler Neovaskularisation vorgesehen, darüber hinaus gehe die Zulassung durch die European Medicines Agency (EMEA) für die pathologische Myopie (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 20.03.2001). Solange jedoch der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen diese Erweiterung der Indikation für eine PDT nicht anerkenne, bleibe aus sozialmedizinischer Sicht kein Beurteilungsspielraum für die Vergütung dieser diagnostischen und therapeutischen Leistungen zu Lasten der Krankenkassen. Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag der Klägerin ab (schriftlicher Bescheid vom 13.11.2001).
Die Klägerin ließ die streitgegenständliche Behandlung am 14.11.2001 ambulant durchführen. Die Kosten der ärztlichen Behandlung in Höhe von 544,12 DM bezahlte sie privat. Das für die PDT notwendige Medikament Visudyne® hatte die Klägerin am 12.11.2001 für 3.329,03 DM in einer Apotheke gekauft. Über die Ablehnung ihres Kostenübernahmeantrages war sie vorab telefonisch am 13.11.2001 von der Beklagten informiert worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2002 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. In der vertragsärztlichen Versorgung dürften neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen nur abgerechnet werden, wenn sie in ihrer Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprächen. Der Anspruch erstrecke sich dabei zunächst auf solche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die Gegenstand des einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) seien. Methoden, die dort keine Berücksichtigung gefunden hätten, dürften als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 135 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erst dann erbracht werden, wenn sie vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen anerkannt seien. Insoweit sei der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen gemäß § 135 Abs. 1 SGB V in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V ermächtigt, Beschlüsse zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu fassen. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen habe in seiner Sitzung am 16.10.2000 beschlossen, dass die PDT bei altersabhängiger feuchter Makuladegeneration mit subfoveolärer klassischer chorioidaler Neovaskularisation als anerkannte Behandlungsmethode gelte. Dieser Beschluss sei am 18.01.2001 im Bundesanzeiger veröffentlicht und damit am 19.01.2001 in Kraft gesetzt worden. Die PDT gehöre ab diesem Zeitpunkt bei dieser bestimmten Indikation zu den anerkannten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (Nr. 8 der Anlage A der Richtlinie zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsm...