Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch- Erfüllung der Anwartschaftszeit. Versicherungspflichtverhältnis. Strafgefangener. zusammenhängender Arbeits- bzw Ausbildungsabschnitt. Berücksichtigung von unverschuldeter Nichtbeschäftigung. krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung. Ausfallentschädigung. Inkraftsetzung von § 45 StVollzG
Orientierungssatz
1. Bei der Ermittlung der Anwartschaftszeit sind bei Gefangenen Zeiten der krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung bzw unverschuldeter Nichtbeschäftigung innerhalb zusammenhängender Arbeitsabschnitte nicht als Zeiten der Versicherungspflicht gem § 26 Abs 1 Nr 4 SGB 3 zu berücksichtigen.
2. Daran ändert auch der in § 26 Abs 1 Nr 4 SGB 3 genannte Erhalt von Ausfallentschädigung für Strafgefangene gem § 45 StVollzG nichts, da diese Vorschrift durch ein besonderes Bundesgesetz bislang nicht in Kraft gesetzt worden ist (§ 198 Abs. 3 StVollzG).
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 22. Februar 2021 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger erstrebt die Verpflichtung der Beklagten, ihm ab dem 3. April 2020 Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) zu bewilligen.
Der 1971 geborene Kläger saß als Strafgefangener unter anderem in den Justizvollzugsanstalten Y. und X. ein und ging dort zugewiesenen Tätigkeiten nach. Die JVA Y. bescheinigte für den Zeitraum vom 14. Mai 2018 bis zum 9. April 2019 die Entrichtung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung an 131 Kalendertagen. Die JVA X. bescheinigte für den Zeitraum 29. Juli 2019 bis zum 31. März 2020 die Entrichtung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung für 202 Kalendertage. Vom 12. November 2019 bis zum 17. November 2019 bezog der Kläger Verletztengeld.
Den Antrag des Klägers vom 25. März 2020 auf Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 3. April 2020 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. April 2020 ab. Der Kläger habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt. Den Widerspruch vom 5. Mai 2020 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2020 zurück. Der Kläger habe die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen am 3. April 2020 erfüllt. Innerhalb der Rahmenfrist vom 3. Oktober 2017 bis zum 2. April 2020 habe der Kläger anstelle erforderlicher 360 Kalendertage nur 333 Kalendertage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Eine nochmalige Überprüfung der Bescheinigungen der Justizvollzugsanstalten Y. und X. durch die Aussteller habe ergeben, dass die Bescheinigungen korrekt ausgefüllt und auch die dokumentierten Lücken korrekt wiedergegeben seien. Der Kläger habe danach nicht mindestens zwölf Monate (360 Kalendertage) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und daher die Anwartschaftszeit nicht erfüllt.
Die Klage vom 23. Juli 2020 hat das Sozialgericht Chemnitz mit Urteil vom 22. Februar 2021 abgewiesen. Der Kläger habe entgegen des gesetzlichen Erfordernisses aus §§ 142 ff SGB III innerhalb der 30-monatigen Rahmenfrist nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. In dem Zeitraum vom 3. Oktober 2017 bis zum 2. April 2020 habe nur an 339 Tagen Versicherungspflicht bestanden. Die Justizvollzugsanstalten hätten dem Wortlaut der Vorschrift folgend 333 Kalendertage mit bestehenden Versicherungspflichtverhältnis bescheinigt, einschließlich der arbeitsfreien Sonnabende, Sonntage und gesetzlichen Feiertage, soweit diese Tage innerhalb eines zusammenhängenden Arbeitsabschnittes gelegen hätten. Auch Art. 3 Abs. 1 Grundgesetzt (GG) gebiete keine Gleichstellung von Gefangenen und Personen, die in einem vertraglichen Beschäftigungsverhältnis stehen. Beschäftigte Gefangene, die nicht Freigänger seien, und Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, seien nach Auffassung der Kammer schon nicht miteinander vergleichbar.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung vom 3. März 2021. Sinn und Zweck sei es, eine weitgehende Gleichstellung von Gefangenenarbeit mit Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erreichen. Es hätte durchgehend eine Bescheinigung auch an den Kalendertagen der unverschuldeten Nichtbeschäftigung erfolgen müssen, so dass Tage der unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit und des Arbeitsunfalls hinzuzurechnen seien.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 22. Februar 2021 und den Bescheid der Beklagten vom 29. April 2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 3. April 2020 in Höhe und im Umfang der gesetzlichen Bestimmungen nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
Die Berufung zurückzuweisen.
Die Entscheidung sei zutreffend.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung des Klägers ist zulässig aber unbe...