Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzgeldanspruch. Arbeitsentgeltanspruch. Wegfall wegen Versäumung tarifvertraglicher Ausschlussfristen nach Anspruchsübergang auf BA

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Anspruch auf Insolvenzgeld kann nicht entgegengehalten werden, dass ein Arbeitsentgeltanspruch wegen Eingreifens tarifvertraglicher Ausschlussfristen (hier nach § 15 BRTV-Bau) verfallen sind, wenn der Anspruch mit dem Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen ist und die Bundesagentur die tarifvertragliche Ausschlussfrist versäumt hat.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 28. August 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Insolvenzgeld (Insg).

Der … 1953 geborene Kläger stellte bei der Beklagten am 1. April 2004 einen Antrag auf Insg. Er gab an, als Arbeiter bei der Firma T. L. GmbH (N.) beschäftigt gewesen zu sein. Über das Vermögen des Arbeitgebers sei am 1. März 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet worden; die Betriebstätigkeit sei am 12. März 2004 vollständig eingestellt worden. Bis zu diesem Zeitpunkt habe er in Kenntnis des Insolvenzereignisses weitergearbeitet. Zum 12. März 2004 sei das Arbeitsverhältnis durch seine - des Klägers - Kündigung beendet worden. Für die Zeit vom 1. Februar 2004 bis 12. März 2004 sei ihm kein Arbeitsentgelt gezahlt worden. Der Kläger bezifferte das noch nicht ausgezahlte Netto-Arbeitsentgelt mit 1.750,00 EUR.

Tatsächlich ist am 1. März 2004 keine Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. Vielmehr hat das Amtsgericht Neumünster mit Beschluss vom 14. Juli 2004 (Az. 92 IN 21/04) den am 23. Januar 2004 eingegangenen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgewiesen und gleichzeitig einen Beschluss vom 10. März 2004 über die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen im Sinne der §§ 21, 22 Insolvenzordnung (Bestellung eines Insolvenzverwalters) aufgehoben (s. Kopie des Beschlusses vom 14. Juli 2004, Bl. 58 der Gerichtsakten).

Mit Schreiben vom 23. September 2004 wies die Beklagte darauf hin, dass der Antrag noch nicht beschieden werden könne, weil ihr noch keine Insg-Bescheinigung des Arbeitgebers vorliege. Im Übrigen verwies sie darauf, dass nach § 16 des Bundesrahmentarifvertrages Bau (BRTV-Bau) Arbeitsentgeltansprüche verfallen würden, wenn sie nicht zwei Monate nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht worden seien. Der Kläger werde deshalb aufgefordert, seine Lohnansprüche zeitlich und der Höhe nach zu spezifizieren, etwaige Lohnunterlagen (Lohnabrechnungen) vorzulegen, etwaige Arbeitsentgeltzahlungen nach der Antragstellung auf Insg mitzuteilen und anzugeben, ob er zwischenzeitlich Klage vor dem Arbeitsgericht erhoben habe.

Hierauf antworteten die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 18. März 2005. Sie bezweifelten, ob die Firma T. L. GmbH überhaupt dem BRTV-Bau unterfalle. Zwar unterfielen im Grundsatz auch Trocken- und Montagebauarbeiten dem Anwendungsbereich des BRTV-Bau, allerdings nur, wenn diese Arbeiten auch das Schwergewicht des Betriebes ausmachten. Im Falle der Firma T. L. GmbH solle es so gewesen sein, dass das Schwergewicht des Betriebes im Handel mit Baustoffen bestanden habe. Insoweit greife die Ausschlussfrist des BRTV-Bau nicht ein. Im Übrigen habe der Kläger mit einem in Kopie zur Akte gereichten Schreiben vom 16. März 2004 seine Lohnansprüche für die Monate Februar und März 2004 geltend gemacht. Nachdem der Arbeitgeber die Ansprüche nicht erfüllt habe, habe er - der Kläger - keine Klage mehr erheben können. Zunächst sei er hieran durch das Insolvenzverfahren vor dem Amtsgericht Neumünster gehindert gewesen. Nachdem das Verfahren mangels Masse nicht eröffnet worden sei, sei die Firma von Amts wegen gelöscht worden. Lohnabrechnungen seien bisher nicht verfügbar; in der Vergangenheit habe der Kläger Monatslohn in Höhe von ca. 2.500,00 EUR netto bezogen.

Mit Bescheid vom 7. September 2005 lehnte die Beklagte den Insg-Antrag ab und führte aus, dass die Arbeitsentgeltansprüche des Klägers nach § 16 BRTV-Bau verfallen seien, so dass die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Insg nach § 183 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) nicht erfüllt seien. Die Auffassung der Bevollmächtigten des Klägers, wonach die Firma T. L. GmbH nicht dem Geltungsbereich des BRTV-Bau unterfalle, sei nicht nachvollziehbar, weil die Mehrzahl der Arbeitnehmer dieses Betriebes als Trockenbauer beschäftigt gewesen sei. Nach einem der Beklagten vorliegenden Handelsregisterauszug seien “Serviceleistungen am Bau„ Gegenstand des Unternehmens gewesen. Der Kläger habe das Verfahren nach § 16 BRTV-Bau nicht eingehalten. Zwar habe er seine Arbeitsentgeltansprüche schriftlich geltend gemacht, nicht jedoch - wie § 16 BRTV-Bau dies vorsehe - nach Ausbleiben einer Reaktion des Arbeitge...

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