Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. höhere Verletztenrente. Jahresarbeitsverdienst bei Berufskrankheiten. Anwendungsvoraussetzung des § 84 SGB 7. einschränkende Anwendung
Leitsatz (amtlich)
§ 84 SGB VII findet, gemessen an einer an Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck sowie Systematik orientierten Auslegung der Vorschrift, nur dann Anwendung, wenn der "letzte Tag" der verrichteten Tätigkeit vor dem Eintritt eines Versicherungsfalls im Sinne des § 9 Abs 5 SGB VII - dh vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit bzw Behandlungsbedürftigkeit und vor dem Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit - liegt.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 14. März 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Klägers sind für beide Rechtszüge nicht zu
erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens eine höhere Verletztenrente auf der Grundlage eines höheren zu berücksichtigenden Jahresarbeitsverdienstes (JAV).
Der am … 1968 geborene Kläger spielte seit 1986 als Amateur Handball in der 2. Bundesliga. Seit Juli 1989 war er Vertragshandballspieler in der 1. Bundesliga, bis Juni 1994 bei der SG F… und von Juli 1994 bis Juni 2000 beim THW K…. Im Februar 2000 wurde er letztmalig als Spieler aufgestellt.
Die Beteiligten stritten um die Anerkennung eines Meniskusschadens des Klägers - am 12. August 1994 war eine erste Arthroskopie erfolgt - als Berufskrankheit. Das Sozialgericht Kiel verurteilte die Beklagte mit Urteil vom 29. November 2005 dazu, dem Kläger unter Anerkennung eines Meniskusschadens als Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren (S 5 U 102/03). Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht wies mit Urteil vom 21. Februar 2007 die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten zurück und änderte auf die Anschlussberufung des Klägers das Urteil des Sozialgerichts Kiel dahin ab, dass die Beklagte verurteilt wurde, dem Kläger die gesetzlichen Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vom Hundert (v.H.) ab dem 1. April 2004 bis zum 30. Juni 2005 zu gewähren (L 8 U 115/05).
In Ausführung des Urteils des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 21. Februar 2007 erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 17. September 2007 die Meniskuserkrankung des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV und als Folge einen Anspruch auf eine Rente für den Zeitraum vom 1. April 2004 bis zum 30. Juni 2005 an, wobei für die Berechnung ein JAV von 28.671,86 Euro im Zeitraum vom 1. April 2003 bis zum 31. März 2004 und eine MdE von 20 v.H. zu Grunde gelegt wurde.
Mit Schreiben vom 9. Februar 2010 beantragte der Kläger die Neufeststellung des JAV gemäß § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X), in Verbindung mit § 84 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (SGB VII). Es sei § 84 SGB VII anzuwenden. Er habe nachweislich seine Tätigkeit als Berufshandballspieler am 13. Februar 2000 aufgegeben, so dass als Versicherungsfall der 13. Februar 2000 festzustellen sei. Hieraus ergebe sich ein Zeitraum für die Berechnung des JAV von Februar 1999 bis Januar 2000.
Durch Bescheid vom 13. April 2011 lehnte es die Beklagte ab, den JAV nach § 84 SGB VII neu festzustellen. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 5 SGB VII träten nicht selten erst ein, nachdem der Versicherte die für seine Krankheit ursächliche Tätigkeit bereits aufgegeben habe. § 84 SGB VII trage der Besonderheit einer sich nur allmählich entwickelnden Berufskrankheit und einer häufig damit einhergehenden Einkommenseinbuße dadurch Rechnung, dass in Ergänzung zu § 9 Abs. 5 SGB VII und wiederum nur nach dem Günstigkeitsprinzip für die Berechnung des JAV der Eintritt des “Leistungsfalls„ zurückverlegt werde. Dadurch werde verhindert, dass eine bereits durch die Berufskrankheit bedingte Einkommenseinbuße vor den in § 9 Abs. 5 SGB VII vorgesehenen Zeitpunkten ungleich der Entschädigung von Arbeitsunfallverletzten bei der Berechnung der Höhe der Entschädigung unberücksichtigt bleibe. Voraussetzung für eine Anwendung des § 84 SGB VII sei, dass der “letzte Tag„ stets vor dem Eintritt des “Leistungsfalls„ (= rentenberechtigende MdE oder Behandlungsbedürftigkeit) liegen müsse. § 84 SGB VII sei daher nicht anzuwenden, wenn der Versicherte im Zeitpunkt der entschädigungspflichtigen Berufskrankheit noch die ursächliche Tätigkeit ausübe und diese erst nach dem “Leistungsfall„ aufgegeben werde. Voraussetzung sei weiter, dass diese Berechnung in der Regel auf Berufskrankheiten beschränkt sei, bei denen sich das Krankheitsgeschehen trotz Aufgabe der schädigenden Tätigkeit fortentwickele und zum Leistungsfall führe. Der “Leistungsfall„ sei beim Kläger mit der e...