Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. ehrenamtlich tätiger Kreishandwerksmeister mit satzungsgemäß zugewiesenen Verwaltungsaufgaben. rechtliche Verpflichtung und Verantwortlichkeit ohne Entzugsmöglichkeit im Konfliktfall
Leitsatz (amtlich)
1. Ein ehrenamtlich tätiger Kreishandwerksmeister unterliegt auch dann der Versicherungspflicht, wenn er die ihm satzungsgemäß obliegenden Verwaltungstätigkeiten hinsichtlich der Überwachung und Einflussnahme auf die Geschäftsführung tatsächlich nicht ausüben muss, weil deren eigene Kompetenz ausreicht, um einen ordnungsgemäßen Geschäftsgang zu gewährleisten.
2. Maßgebend für die Beurteilung der Versicherungspflicht ist allein die rechtliche Verpflichtung und Verantwortlichkeit, der sich der Kreishandwerksmeister im Konfliktfall nicht entziehen kann.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 11. August 2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 2.632,73 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Zugunstenverfahren nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) darüber, ob für den Beigeladenen zu 1) für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009 Beiträge zur Rentenversicherung wegen einer geringfügigen Beschäftigung nachzuentrichten sind.
Der Beigeladene zu 1) war im streitbefangenen Zeitraum Inhaber eines Handwerksbetriebes und zugleich Kreishandwerksmeister der Klägerin. Seine Aufgaben ergaben sich aus der Satzung der Kreishandwerkerschaft Nordfriesland-Süd vom 12. August 1996. In der Zeit vom 27. November 2010 bis 15. Juni 2011 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2006 bis 30. September 2010 durch. Die Beklagte ermittelte, dass dem Beigeladenen zu 1) für seine Tätigkeit als Kreishandwerksmeister folgende Aufwandsentschädigungen gewährt worden waren:
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2006: |
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6.420,00 EUR, |
2007: |
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6.420,00 EUR, |
2008: |
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6.600,00 EUR, |
2009: |
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6.600,00 EUR. |
Nach vorheriger Anhörung der Klägerin forderte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 7. Juli 2011 u. a. für den Beigeladenen zu 1) Beiträge zur Rentenversicherung nebst Umlagen in Höhe von 2.632,73 EUR nach. Zur Begründung führte sie aus, der Beigeladene zu 1) sei aufgrund der von ihm durchgeführten satzungsgemäßen Verwaltungsaufgaben geringfügig beschäftigt gewesen. Bei der gewährten Aufwandsentschädigung handele es sich nach Abzug des Freibetrags nach § 3 Nr. 12 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerlich und beitragsrechtlich um Arbeitsentgelt. Für die nach Abzug des jeweiligen Freibetrags (2006 = 1.848,00 EUR, 2007 = 1.848,00 EUR, 2008 = 2.100,00 EUR, 2009 = 2.100,00 EUR) verbleibenden Entgelte seien bei vorliegender Mitgliedschaft in einer privaten Krankenversicherung in der Zeit vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009 pauschale Rentenversicherungsbeiträge für eine geringfügig entlohnte Beschäftigung nachberechnet worden. Für geringfügig Dauerbeschäftigte müsse der Arbeitgeber für Entgeltabrechnungszeiträume bis 30. Juni 2006 12 % abführen, ab 1. Juli 2006 15 %.
Am 5. September 2011 beantragte die Klägerin die Rücknahme des Bescheides vom 7. Juli 2011 nach § 44 SGB X. Zur Begründung trug sie vor, die Beklagte habe das Recht unrichtig angewandt, weil sie vom grundsätzlichen Bestehen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgegangen sei. Kreishandwerksmeister unterlägen als Ehrenamtsträger nicht der Sozialversicherungspflicht. Die nach der Satzung zu gewährende Entschädigung für Zeitversäumnis bei Ausübung des Ehrenamtes sei kein Arbeitsentgelt. Die Geschäfte der laufenden Verwaltung würden von hauptamtlichen Geschäftsführern und Mitarbeitern geführt werden. Soweit sich die Beklagte bei ihrer Entscheidung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 12/05 R - gestützt habe, stünden der Anwendbarkeit folgende Gesichtspunkte entgegen: Dem Urteil lägen die Bestimmungen der Kommunalverfassung zugrunde, während hier die Handwerksordnung maßgeblich sei. Das Urteil stelle auf die Verbindung zwischen der hauptamtlichen Tätigkeit als Kämmerer eines Verwaltungsverbandes und der ehrenamtlichen Tätigkeit als Ortsbürgermeister einer Gemeinde ab, die Mitglied des Verwaltungsverbandes sei. Eine derartige Verbindung sei bei Ehrenamtsträgern des Handwerks nicht gegeben, da der handwerkliche Ehrenamtsträger seine Haupttätigkeit in der selbstständigen Führung eines Handwerksbetriebes habe. Wahl- und stimmberechtigt in der Innungsversammlung seien die der Handwerksinnung angehörenden selbstständigen Handwerker. Vorstandsmitglieder, also auch Kreishandwerksmeister und Obermeister, müssten Innungsmitglied sein. Daher könne nur ein bestimmter, festgelegter Personenkreis in ein Ehrenamt gewählt werden. Dieses Ehrenamt se...