Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundleistungen nach AsylbLG sind unzureichend und nicht realitätsgerecht und begründbar bemessen
Orientierungssatz
1. Die Geldleistungen nach § 3 Abs. 2 S. 2 und S. 3 in Verbindung mit Abs. 1 S. 4 AsylbLG sind evident unzureichend.
2. Die Grundleistungen nach § 3 Abs. 2 S. 2 und § 3 Abs. 2 S. 3 in Verbindung mit Abs. 1 S. 4 AsylbLG sind nicht realitätsgerecht und begründbar bemessen.
Tenor
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig, längstens bis zu einer gesetzlichen Neuregelung des Asylbewerberleistungsrechts entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 18.07.2012, ab 08.02.2013 monatlich Grundleistungen in Höhe von 354,00 EUR abzüglich einer Energiekostenpauschale von 29,70 EUR zuzüglich 105,39 EUR für Kosten der Unterkunft abzüglich 35,00 EUR für Restschuldtilgung, insgesamt 394,69 EUR zu gewähren ...
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragsstellers trägt die Antragsgegnerin.
Gründe
Der Antragsteller (Ast.) begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Der am 00.00.0000 geborene Ast. ist pakistanischer Staatsangehöriger. Er lebt seit 2007 im Deutschland und bezieht seither Leistungen nach dem AsylbLG, seit September 2007 von der Antragsgegnerin (Ag.). Nach dem Abschluss des Asylverfahrens beruht sein aufenthaltsrechtlicher Status auf einer Duldung. Seit Mai 2012 kürzte die Ag. die Leistungen des Ast. unter Hinweis auf § 1a AsylbLG; seitdem bewilligte die Ag. dem Ast. monatlich nur noch Grundleistungen nach § 3 Abs. 2 AsylbLG in Höhe von 184,07 EUR abzüglich einer Energiekostenpauschale von 20,45 EUR zuzüglich Kosten der Unterkunft in Höhe von 105,39 EUR; von diesem insgesamt 269,01 EUR wurden - aufgrund schriftlich erklärtem Einverständnis des Ast. - monatlich 35 EUR zur Tilgung einer vom Ast. verschuldeten Leistungsüberzahlung einbehalten, sodass der Zahlbetrag 234,01 EUR betrug. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) erhöhte die Ag. die Grundleistungsbetrag auf 212 EUR; der Abzugsbetrag für die Energiekostenpauschalen betrug seitdem 29,04 EUR. Der Ast. legte gegen die Leistungskürzung Widerspruch ein, über den bis heute nicht entschieden ist. Seit Januar 2013 setzt sich die Leistung für den Ast. wie folgt zusammen (vgl. Bewilligungsbescheid vom 23.01.2013):
Leistung nach § 3 Abs. 2 AsylbLG 217,00 EUR
abzgl. Energiekostenpauschale 29,70 EUR
zzgl. Kosten der Unterkunft 105,39 EUR
abzgl. Restschuldtilgung 35,00 EUR
257,69 EUR
Am 08.02.2013 hat der Ast. den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Ag. zur Zahlung von Leistungen nach dem AsylbLG in Höhe der nach der vom BVerfG getroffenen Übergangsregelung zu verpflichten. Er beziffert seinen monatlichen Grundleistungsanspruch ab 2013 auf 354 EUR abzüglich der Energiekostenpauschale zuzüglich der Kosten der Unterkunft. Das BVerfG habe im Urteil vom 18.07.2012 festgestellt, dass Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ein menschenwürdiges Existenzminimum als einheitliches, das physische und soziokulturelle Existenzminimum umfassende Grundrecht garantiere. Dieser Anspruch sei ab dem Beginn des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland in jedem Fall und zu jeder Zeit zu realisieren. Migrationspolitische Erwägungen könnten kein Absenken des Leistungsstandards unter das Existenzminimum rechtfertigen. Dies gelte auch für eine kurze Aufenthaltsdauer oder Aufenthaltsperspektive in Deutschland. Der Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum sei ein unverfügbares Menschenrecht, das durch einen Leistungsanspruch eingelöst werden und stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf decken müsse.
Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm monatlich Grundleistungen in Höhe der nach der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts festgelegten Höhe der Grundleistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Sie ist der Auffassung, auch nach dem Urteil des BVerfG vom 18.07.2012 berechtigt zu sein, dem Ast. reduzierte Leistungen nach § 1a Nr. 2 AsylbLG zu gewähren. Die Vorschrift des § 1a AsylbLG sei nicht Gegenstand des verfassungsgerichtlichen Verfahrens gewesen; die vom BVerfG angeführten Gründe, die zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit von § 3 AsylbLG geführt haben, führten nicht zu einer Einschränkung der grundsätzlichen Anwendbarkeit von § 1a AsylbLG. Die Ag. beruft sich für ihre Auffassung u.a. auf den Beschluss des Thüringer LSG vom 17.01.2013 (L 8 AY 1801/12 B ER).
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung w...