Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenversicherung: Berechnung des Arbeitslosengeldes nach Krankheit während Zeiten einer Arbeitslosigkeit. Zulässigkeit der Anwendung einer fiktiven Bemessungsgrenze. Erlöschen eines Arbeitslosengeldanspruchs bei länger andauernder Krankheit
Orientierungssatz
1. Kann ein Arbeitsloser bei einem Anspruch auf Arbeitslosengeld in einem Zeitraum von 24 Monaten vor Beginn des Anspruchs nicht wenigstens 150 Tage nachweisen, in denen er Arbeitsentgelt erhalten hat (hier: wegen länger andauernder Krankheit), so ist die Höhe des Arbeitslosengeldes auf der Basis fiktiver Entgelte nach der jeweiligen Qualifikation des Arbeitslosengeldempfängers zu ermitteln. Diese Form der Berechnung der Versicherungsleistung begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, verstößt insbesondere nicht gegen das Grundrecht auf Gleichbehandlung.
2. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld erlischt vier Jahre nach seiner Entstehung. Das gilt auch dann, wenn der laufende Bezug von Arbeitslosengeld wegen einer Erkrankung für einen längeren Zeitraum unterbrochen wird, so dass bei einer Genesung jedenfalls dann, wenn seit Entstehung des Anspruch auf Arbeitslosengeld inzwischen mehr als vier Jahre vergangen sind, aus dem früheren Anspruch keine Rechte mehr geltend gemacht werden können.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg). Streitig ist, ob die Höhe des Anspruchs auf Basis des vor seiner Erkrankung tatsächlich erworbenen Entgelts oder in fiktiver Höhe zu berechnen ist.
Der 00 Jahre alte Kläger hatte ursprünglich am 01.04.2005 einen Alg-Anspruch erworben. Anschließend erkrankte er und bezog Übergangsgeld, eine Erwerbsminderungsrente, später wieder Arbeitslosengeld und schließlich vom 30.04.2007 bis einschließlich 04.11.2009 Krankentagegeld von seiner privaten Krankenversicherung. Am 26.01.2009 bat der Kläger um Mitteilung, wie lange er noch Anspruch auf das Restguthaben von 538 Tagen habe, da die Ärzte ihm mitgeteilt hätten, dass er dieses Jahr wieder arbeitsfähig würde, wenn es zu keinem Rezidiv komme. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, dass sein Alg-Anspruch neu berechnet würde, wenn er sich arbeitslos melden würde, da er über ein Jahr Krankengeld bezogen habe. Die Dauer seines Anspruchs würde sich sogar verlängern. Der momentane Höchstanspruch liege bei 720 Tagen.
Am 05.11.2009 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger weder im einjährigen noch im verlängerten zweijährigen Bemessungsrahmen versicherungspflichtiges Entgelt erhalten hatte und daher der Alg-Anspruch auf Basis eines fiktiven Entgelts zu ermitteln ist. Sie ordnete den Kläger in Qualifikationsgruppe 3 ein (Ausbildungsberuf) und kam zu einem Bemessungsentgelt von 67,20 EURO. Die Anspruchsdauer ermittelte sie mit 720 Tagen. Mit Bescheid vom 23.11.2009 bewilligte die Beklagte Alg in Höhe von 20,13 EURO täglich ab dem 05.11.2009.
Hiergegen legte der Kläger über seinen Bevollmächtigten am 09.12.2009 Widerspruch ein. Er führte aus, sich gegen die Einordnung in die Qualifikationsgruppe 3 zu wehren, sowie gegen den Verfall des Altanspruches. Der Kläger sei von 1989 bis 31.03.2005 als System-Ingenieur tätig gewesen, zuletzt bei einem Verdienst von 5.200 EURO brutto zzgl. Bonuszahlungen. Nach seiner Kündigung zum 31.03.2010 habe sich der Kläger arbeitslos gemeldet und Alg in Höhe von 52,69 EURO täglich bezogen und die Anspruchsdauer sei mit 775 Tagen berechnet worden. Ab dem 06.04.2005 sei der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Er sei zunächst in einer Reha-Maßnahme gewesen und habe Überbrückungsgeld von 52,69 EURO tgl. vom 04.05.2005 bis 25.05.2005 erhalten.
In der Zeit vom 01.11.2005 bis 30.09.2006 habe er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von monatlich 1.481,45 EURO und ab dem 01.10.2006 habe er wieder Arbeitslosengeld bezogen. Der Restanspruch habe 747 Tage umfasst. Ab dem 19.03.2007 sei der Kläger erneut erkrankt und die Leistungen seien von der Beklagten ab dem 30.04.2007 eingestellt worden. Der Kläger habe anschließend Krankentagegeld von seiner privaten Krankenversicherung bezogen. Auf die Anfrage des Klägers sei mitgeteilt worden, dass sich die Dauer seines Anspruchs verlängere, nicht aber, dass die Höhe reduziert würde. Der Kläger warf der Beklagten diesbezüglich einen Beratungsfehler vor. Ferner sei er in eine höhere Qualifikationsgruppe einzuordnen. Der Kläger habe über einen langen Zeitraum qualifizierte Tätigkeiten ausgeübt und sich laufend fortgebildet, was auch Zeugnisse belegten. Die für den Kläger zu ermittelnde Tätigkeit sei im Bereich des Service- oder System-Ingenieurs anzusiedeln. Diese Bereiche setzten heutzutage überwiegend ein Studium voraus. Auch die mit 5.200 EURO brutto pro Monat hohe Vergütung dürfe dabei nicht außer Acht gelassen werden. Es würde ältere Menschen benachteiligen, wenn die durch Berufserfahrung erlangte Qualifikation bei der fiktiven Bemessung keine Rolle spi...