Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Zusteller bzw. Kurierdienstfahrer
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn eine Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis nach Weisungen erfolgt und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte und die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft gekennzeichnet.
2. Indizien für das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung sind der Abschluss eines Arbeitsvertrags, Anwesenheits- und Zeitkontrollen, ein Arbeitsplatz in den Räumen des Arbeitgebers, fehlende eigene Betriebsmittel, bezahlter Urlaub, eine feste gleichbleibende Vergütung und wirtschaftliche Abhängigkeit. Dagegen sprechen die Vorhaltung eigenen Arbeitsmaterials, die Verbuchung der Einnahmen mit Umsatzsteuer, die Beschäftigung und Bezahlung eigenen Personals, die eigene Gewerbeanmeldung, das Unternehmer- und Vergütungsrisiko für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit.
3. Ist es einem Zusteller oder Kurierdienstfahrer freigestellt, seine gegenüber dem Auftraggeber bestehenden Verpflichtungen auch durch von ihm eingesetzte Mitarbeiter zu erfüllen, erhält er eine pauschale Vergütung unabhängig davon, wie umfangreich die zu leistende Arbeit am jeweiligen Tag ausfällt, zahlt der Auftraggeber die Mehrwertsteuer, die der Kurierfahrer als umsatzsteuerpflichtige Einnahme verbucht, kann dieser unter Beachtung von Qualitätsvorgaben seine Zeit selbst einteilen und kann er für weitere Auftraggeber tätig werden, so ist von dem Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit auszugehen.
4. Dies gilt erst recht, wenn er für die Zusteller- und Kurierdiensttätigkeit ein eigens angeschafftes Kraftfahrzeug einsetzt und das volle Risiko eines Ausfalls des Fahrzeugs oder seiner eigenen Person im Krankheitsfall trägt.
Tenor
Die Bescheide der Beklagten vom 25.06.2013 und die Widerspruchsbescheide vom 08.01.2014 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Zusteller/Kurierdienstfahrer bei der Klägerin in der Zeit vom 01.07.2012 bis 31.10.2013 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden ist und aus dieser Tätigkeit keine Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Der Streitwert wird endgültig auf 8.540,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1) in seiner Tätigkeit für die Klägerin als Zusteller/Kurierdienstfahrer in der Zeit vom 01.07.2012 bis 31.10.2013.
Der 0000 geborene Beigeladene zu 1) meldete am 02.08.2005 ein Gewerbe (Kurierdienste für die "I. Logistik Gruppe") an. Er firmierte unter dem Namen "E.N. Express Kurier Service". Die Klägerin betreibt ein Transportserviceunternehmen; sie ist Vertragspartner der "I. Logistik Gruppe" und betreibt zwei so genannte Satelliten-Depots, eines in Düren und eines in Hückelhoven. Zur Erfüllung der gegenüber der "I. Logistik Gruppe" bestehenden vertraglichen Verpflichtungen schloss die Klägerin am 25.06.2012 mit dem Beigeladenen zu 1) einen so genannten "Subunternehmer-Vertrag", in dem der Beigeladene zu 1) als "Auftragnehmer" bezeichnet wurde. Gegenstand des Vertrages war nach dessen Ziffer 1.1 die Durchführung der Sendungszustellung und -abholung sowie alle damit verbundenen Nebenleistungen durch den Auftragnehmer in einem in einer Anlage genau definierten Zustellgebiet. Weiter heißt es in dem Vertrag (u.a.) unter Ziffer ___AMPX_•_SEMIKOLONX___X 1.3 "f. überlässt dem Auftragnehmer die für die Abwicklung der Vertragspflichten standardisierten Formulare und Unterlagen für das Berichtswesen sowie die für die Erbringung der Vertragsleistung erforderlichen EDV-Geräte ("Sachmittel") gemäß Anlage 2/Beilage 1 gegen Entgelt zum Gebrauch. Die überlassenen Sachmittel sind einsetzbar zu halten und ausschließlich im Rahmen dieses Vertrages einzusetzen." ___AMPX_•_SEMIKOLONX___X 2.1 "Der Auftragnehmer übt seine Tätigkeit selbstständig aus. Er handelt im eigenen Namen und auf eigene Rechnung." ___AMPX_•_SEMIKOLONX___X 2.2 "Um die Eigenschaft des Auftragnehmers als selbstständig Tätigem verbindlich festzustellen, verpflichtet sich der Auftragnehmer vor Vertragsbeginn ein so genanntes Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRB) durchzuführen und aktiv an der Feststellung des Status mitzuwirken." ___AMPX_•_SEMIKOLONX___X 2.3 "Der Auftragnehmer verpflichtet sich, die zur Erfüllung der Vertragspflichten notwendigen Erfüllungsgehilfen und Kommunikationsmittel bereitzustellen. Für die nach diesem Vertrag zu bewirkenden Leistungen stellt der Auftragnehmer in erforderlicher Anzahl Kraftfahrzeuge mit ausreichender Kapazi...