Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsanspruch des erstangegangenen Rehabilitationsträgers für die Versorgung eines Hörgeschädigten mit einem Hörgerät
Orientierungssatz
1. Gemäß § 13 Abs. 3 S. 2 SGB 5 werden Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem SGB 9 entsprechend § 15 SGB 9 erstattet. § 15 Abs. 1 SGB 9 normiert trägerübergreifend Kostenerstattungsansprüche für selbstbeschaffte Teilhabeleistungen.
2. Die Zuständigkeit des erstangegangenen Reha-Trägers nach § 14 Abs. 2 S. 1 SGB 9 schließt im Außenverhältnis zum Versicherten die Zuständigkeit aller anderen Träger aus. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs. 1 S. 3 SGB 9 reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch.
3. Anspruchsgrundlage für die Versorgung mit einem Hörgerät ist § 33 SGB 5. Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Anspruchs geleitet unter Berücksichtigung des aktuellen Standes des medizinischen und technischen Fortschritts.
4. Der Versorgungsanspruch ist begrenzt durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB 5.
5. Soweit für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.
6. Der für ein Hilfsmittel maßgebliche Festbetrag begrenzt die Leistungspflicht der Krankenkasse nur dann nicht, wenn er für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreicht (Anschluss BSG vom 23. 1. 2003, B 3 KR 7/02 R).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger 2.733,00 EUR zu erstatten hat, die diesem durch die Versorgung mit einem beidseitigen Hörsystem "Phonak Audeo Q 70-312 xS" (Preis: 4.347,00 EUR) nach Abzug des von der beigeladenen Krankenkasse übernommenen Vertragspreises (1.614,00 EUR) unter Berücksichtigung der vom Kläger zu leistenden gesetzlichen Zuzahlung (20,00 EUR) entstanden sind.
Der 0000 geborene Kläger ist examinierter Krankenpfleger und ausgebildeter Informatik-Kaufmann. Seit 2012 ist er als Personalvermittler beim Kreis Düren (JobCom) mit der Beratung von Beziehern von SGB II-Leistungen (Schwerpunkt: schwerbehinderte Menschen) beschäftigt. Unter seinen Klienten befinden sich auch Menschen mit Hör- und Sprachbehinderung sowie Menschen mit defizitären Deutschkenntnissen. Der Aufgabenbereich des Klägers umfasst die Beratung in Einzel- und Gruppengesprächen sowie die Begleitung von Vermittlungsmaßnahmen, auch Kundenbesuche in Betrieben. Der Kläger leidet an einer mittel- bis hochgradigen Schwerhörigkeit rechts und einer beginnenden Schwerhörigkeit links.
Am 25.10.2013 beantragte er bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Rheinland Leistungen zu Teilhabe, konkret die Versorgung mit Hilfsmitteln (Hörgeräten), die behinderungsbedingt zur Berufsausübung erforderlich seien. Die DRV Rheinland leitete den Antrag mangels Zuständigkeit unter Bezugnahme auf § 14 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) mit Schreiben vom 31.10.2013 an die Beklagte weiter, wo die Unterlagen am 07.11.2013 eingingen.
Am 07.11.2013 verordnete der den Kläger behandelnde HNO-Arzt eine beidseitige Hörhilfe.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe durch Bescheid vom 12.12.2013 ab. Zur Begründung führte sie aus, zwar sei der Kläger aufgrund seiner Hörschädigung auf das Tragen einer Hörhilfe angewiesen; er benötige diese jedoch sowohl im privaten als auch im beruflichen Lebensbereich; die hohen Anforderungen an Kommunikation, Sprache, Verstehen würden nicht nur im Beruf, sondern auch im täglichen Leben bestehen. Die Beklagte meinte, es handele sich um eine Leistung im Sinne des Krankenversicherungsrechts.
Dagegen erhob der Kläger am 07.01.2014 Widerspruch. Er erklärte, mit den zum Vertragspreis der Krankenkasse erhältlichen Geräten lasse sich kein befriedigendes Sprachverstehen erzielen. Um eine adäquate Versorgung im professionellen Bereich sicherstellen zu können, benötige man neben einem behindertengerechten Telefon auch eine FM-Anlage für Besprechungen/Konferenzen und Tagungen.
In der Zeit von Januar bis Juni 2014 testete der Kläger bei dem Hörgeräteakustikbetrieb K. verschiedene Hörsysteme, konkret &61485; das eigenanteilsfreie System "OTICON GoPro BTE D VC LG" &61485; das Mehrkosten-System "PHONAK Audeo Q 70 - 312 xS". Die Firma K. ist Mitglied der Bundesinnung für Hörgeräteakustik (BIHA). Diese hatte mit Wirkung ab 01.11.2013 u.a. mit der Beklagten einen "Vertrag zur Komplettversorgung mit Hörsystemen" (im Folgenden: Versorgungsvertrag) abgeschlossen. Der Kläger entschied sich schließlich für das System PHONAK Audeo Q 70. Am 18.06.2014 stellte der Hörgeräteakustiker dem Kläger für einen von ihm zu zahlenden Eigenanteil (einschließlich der zu leistenden Zuzahlung von 20 EUR) 2.753,00 EUR in Rechnung Am 28.06.2014 erstellte der Hörgeräteakustiker die Anpass- und Abschlussberichte über die beiden gete...