Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Apothekenabschlag. Zehntagesfrist gilt nicht bei Nachberechnung der Vergütung aufgrund eines geänderten Berechnungselementes. Anwendung nur auf standardisierte Regelvergütungsabrechnungen
Orientierungssatz
1. Für die Abwicklung der Nachberechnung der Vergütung aufgrund eines geänderten Berechnungselementes findet § 130 Abs 3 SGB 5 keine Anwendung (vgl SG Berlin vom 14.9.2012 - S 81 KR 572/11).
2. Die Regelung des § 130 Abs 3 SGB 5 findet mit seiner massiven Folge - dem Fortfall des gesamten Rabatts (vgl BSG vom 6.3.2012 - B 1 KR 14/11 R = SozR 4-2500 § 130 Nr 2) - nur Anwendung auf die standardisierten Regelvergütungsabrechnungen zwischen den Apotheken und den Krankenkassen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Der Streitwert wird auf 13.415,50 EUR festgesetzt.
Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, im Rahmen der Vergütung für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel, die der Kläger im Jahre 2009 an Versicherte der Krankenkasse abgegeben hat, einen Abschlag (sog. Apothekenrabatt) von 1,75 EUR je Packung einzubehalten. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von 13.415,50 EUR als Restvergütung für die Abgabe von 7.666 Arzneimittelpackungen.
Der Kläger ist (und war im Jahre 2009) selbstständiger Apotheker und Inhaber der "T. Apotheke" (Hauptapotheke) und der "E.-Apotheke" (Filialapotheke). Über das von ihm beauftragte Rechenzentrum (RZ) in E. stellte er der Beklagten die im Jahre 2009 an deren Versicherte abgegebenen Fertigarzneimittel in Rechnung. Die Beklagte beglich die Rechnungen jeweils binnen zehn Tagen nach Eingang unter Berücksichtigung des damals geltenden Apothekenabschlags gem. § 130 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Höhe von 2,30 EUR je verschreibungspflichtigem Arzneimittel; sie behielt für 7.666 vom Kläger gelieferte Packungen einen Apothekenrabatt von insgesamt 17.631,80 EUR ein. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die seinerzeit für 2009 abgerechnete Vergütung entsprechend der damals geltenden Apothekenabschlagsregelung gezahlt worden ist.
Bereits im September 2008 hatten der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) und der Deutsche Apothekerverband (DAV) Verhandlungen über die Anpassung des Apothekenabschlags für 2009 aufgenommen. Nachdem eine im Oktober 2008 erzielte Einigung der Verhandlungskommissionen von den Gremien des GKV-Spitzenverbandes abgelehnt worden war, beantragte der DAV am 14.07.2009 die Einleitung eines Schiedsverfahrens. Am 21.12.2009 entschied die nach § 129 Abs. 8 SGB V gebildete gemeinsame Schiedsstelle: "Der Apothekenabschlag nach § 130 Abs. 1 SGB V wird mit Wirkung für das Kalenderjahr 2009 auf 1,75 EUR festgesetzt."
Gegen diese Schiedsstellenentscheidung erhob der GKV-Spitzenverband Klage vor dem Sozialgericht (SG) Berlin (S 13 KR 135/10); diese Klage wurde später aufgrund einer am 20.06.2013 zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem DAV getroffenen Vereinbarung zurückgenommen. In einem parallel anhängigen Eilverfahren ordnete das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg durch Beschluss vom 05.05.2010 (L 1 KR 51/10 B ER) die sofortige Vollziehung der Entscheidung der Schiedsstelle vom 21.12.2009 an.
Noch am selben Tag (Rechnungsdatum: 05.05.2010) stellte das RZ der Beklagten in zwei Sammelrechnungen für zahlreiche Apotheken für 3.091.704 im Jahre 2009 abgegebene Arzneimittelpackungen die Differenz von 2,30 EUR einbehaltenem Apothekenabschlag (alt) und 1,75 EUR festgesetztem Apothekenabschlag (neu), also 0,55 EUR je abgegebener Packung in Rechnung; konkret für den Kläger berechnete das RZ für 7.666 Packungen 4.216,30 EUR. Die Rechnungen vom 05.05.2010 gingen am 18.05.2010 bei der Beklagten ein. Am 29.07.2010 erhielt das RZ (u.a.) die geforderten und auf die Apotheke des Klägers entfallenden 4.216,30 EUR.
Am 19.12.2013 hat der Kläger Klage auf Zahlung weiterer 13.415,50 EUR erhoben. Er ist der Auffassung, durch die Schiedsstellenentscheidung vom 21.12.2009 und deren am 05.05.2010 angeordnete sofortige Vollziehung sei rückwirkend ab 01.01.2009 ein Anspruch auf Auszahlung des Vergütungsanteils entstanden, welcher sich aus der Multiplikation des Differenzbetrages zwischen dem ursprünglichen Rabatt von 2,30 EUR und dem durch Schiedsspruch festgelegten Rabatt von 1,75 EUR mit der Anzahl der abgegebenen und abgerechneten verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel ergebe. Grundlage der Klageforderung sei der Vergütungsanspruch aus der Versorgung von Versicherten der Beklagten im Jahre 2009. Der Kläger meint, er könne über die aufgrund der Schiedsstellenentscheidung nachgezahlte Abschlagsdifferenz von 0,55 EUR je Packung hinaus weitere 1,75 EUR je Packung beanspruchen, für die von ihm im Jahre 2009 abgegebenen 7.666 Packungen also insgesamt 13.415,50 EUR. Denn die Beklagte habe die Rechnung des RZ über die nachzuzahlenden 0,55 EUR je relevanter Packung nicht inner...