Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung des Elterngeldes bei Steuerklassenwechsel
Orientierungssatz
1. Für die Bemessung des Elterngeldes hat der Gesetzgeber, anders als beim Arbeitslosengeld, keinerlei Regelungen und Einschränkungen in Bezug auf einen Steuerklassenwechsel getroffen. Allein die abgeführte Lohnsteuer ist maßgeblich. Ein im Bemessungszeitraum vorgenommener Steuerklassenwechsel ist deshalb zu berücksichtigen.
2. Ein zielgerichtet zur Erhöhung der Leistung vorgenommener Steuerklassenwechsel ist nicht rechtsmissbräuchlich, weil der Gesetzgeber bewusst keine dem § 133 Abs. 3 SGB 3 entsprechende Regelung getroffen hat. Ein im Bemessungszeitraum vorgenommener Steuerklassenwechsel ist daher beachtlich.
Tenor
Der Beklagte wird unter entsprechender Abänderung des Bescheides des Versorgungsamtes B. vom 17.10.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung N. vom 22.11.2007 verurteilt, der Klägerin weiteres Elterngeld in Höhe von 808,05 EUR zu zahlen. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt weiteres Elterngeld in Höhe von 808,05 EUR unter Berücksichtigung eines im Bemessungszeitraum vorgenommenen Steuerklassenwechsels.
Die 1978 geborene Klägerin ist verheiratet. Sie gebar am 31.08.2007 das Kind U. Vom 12.07. bis 26.10.2007 bezog sie Mutterschaftsgeld und dazu einen Zuschuss des Arbeitgebers. Sie war bis dahin als Bankkauffrau, ihr Ehemann als Haustechniker beschäftigt. Das regelmäßige monatliche Bruttoentgelt der Klägerin betrug ca. 2.200,00 EUR, dass des Ehemannes ca. 2.400,00 EUR. Bis Januar 2007 hatten die Eheleute die Steuerklassenkombination IV/IV. Ab Februar wählten sie für die Klägerin die Steuerklasse III, für den Ehemann die Steuerklasse V. Der Grund für den Steuerklassenwechsel war, ein höheres Elterngeld zu erzielen. Die Eheleuten zahlten nunmehr monatlich ca. 100,00 EUR Lohnsteuer mehr als zuvor.
Auf den Antrag des Ehemannes der Klägerin bewilligte das Versorgungsamt Aachen diesem durch bestandskräftigen Bescheid vom 31.10.2007 Elterngeld für den ersten und zweiten Lebensmonat des Kindes in Höhe von monatlich 954,00 EUR. Die Leistung war nach seinem Einkommen der Monate August 2006 bis Juli 2007 unter Zugrundelegung der Steuerklasse IV - fiktiv auch für die Monate Februar bis Juli 2007 - berechnet worden.
Am 25.09.2007 beantragte die Klägerin Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat des Kindes.
Das Versorgungsamt B. bewilligte ihr durch Bescheid vom 17.10.2007 Elterngeld für den beantragten Zeitraum; unter Anrechnung des Mutterschaftsgeldes und des dazu gezahlten Arbeitgeberzuschusses ergaben sich für den ersten Lebensmonat 0 EUR, für den zweiten Lebensmonat 112,75 EUR und für den dritten bis zwölften Lebensmonat jeweils 875,62 EUR. Insgesamt erhielt die Klägerin ein Elterngeld von 8.568,95 EUR. Die Leistung war nach ihrem Einkommen der Monate Juli 2006 bis Juni 2007 unter Zugrundelegung der Steuerklasse IV - fiktiv auch für die Monate Februar bis Juli 2007 - berechnet worden. Das Versorgungsamt begründete dies damit, der Steuerklassenwechsel ab Februar 2007 habe nicht berücksichtigt werden können, da er zur Erzielung eines höheren Elterngeldes vorgenommen worden sei.
Den dagegen am 31.10.2007 eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung N. durch Widerspruchsbescheid vom 22.11.2007 zurück. Zur Begründung verwies sie auf Ziffer 2.7.3.3. der Richtlinien zum Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG). Ein Steuerklassenwechsel, der erkennbar allein die Funktion habe, den Anspruch auf Elterngeld zu erhöhen, verfolge kein schutzwürdiges Interesse desjenigen, der von dieser steuerrechtlichen Gestaltungsoption Gebrauch mache, und sei deshalb grundsätzlich für das Elterngeld unbeachtlich.
Dagegen hat die Klägerin am 04.12.2007 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, Anspruch auf Elterngeld unter Berücksichtigung des Wechsel in die Steuerklasse III zu haben; für die Berechnung des Elterngeldes sei die Steuerklasse III für sie günstiger als die Steuerklasse IV. In den Medien sei zu einem Steuerklassenwechsel geraten worden.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter entsprechender Abänderung des Bescheides des Versorgungsamtes B. vom 17.10.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung N. vom 22.11.2007 zu verurteilen, ihr weiteres Elterngeld in Höhe von 808,05 EUR zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verbleibt bei der in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Rechtsauffassung.
Auf Anfrage des Gerichts hat der Beklagte fiktiv die Höhe des Elterngeldes unter Berücksichtigung des Steuerklassenwechsels ab Februar 2007 errechnet; danach ergäbe sich eine um 808,05 EUR höhere Elterngeldleistung als die bewilligte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten...