Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung der Kapitalleistung aus einer als Direktversicherung abgeschlossenen Kapitallebensversicherung bei der Bemessung des Krankenversicherungsbeitrags
Orientierungssatz
1. Die Beitragspflicht von Versorgungsbezügen der betrieblichen Altersversorgung zur Krankenversicherung ergibt sich aus § 226 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i. V. m. § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB 5.
2. Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung in Form einer Kapitalleistung, so gilt 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens für 120 Monate.
3. Kapitalleistungen aus einer als Direktversicherung abgeschlossenen Kapitallebensversicherung unterliegen nach der Entscheidung des BVerfG vom 28. 9. 2010 nur insoweit der Beitragspflicht, als die Zahlungen auf Prämien beruhen, die auf den Versicherungsvertrag für Zeiträume eingezahlt worden sind, in denen der Arbeitgeber Versicherungsnehmer war.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Der Klägerin werden Missbrauchskosten in Höhe von 500,00 EUR auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob und ggf. in welchem Umfang die Klägerin auf Kapitalleistungen aus zwei Lebensversicherungen Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und Pflegeversicherung (PV) zu zahlen hat.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist seit 01.04.1968 Mitglied der Beklagten (bzw. deren Rechtsvorgängerin). Sie war als ausgebildete Arzthelferin bis März 2008 bei ihrem Ehemann beschäftigt. Seit 01.04.2008 ist sie aufgrund des Bezugs einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert. 1978 und 1991 schlossen der damalige Arbeitgeber der Klägerin - ihr Ehemann - als Versicherungsnehmer und der Gerling-Konzern als Versicherer zwei Lebensversicherungen (1978: Versicherungsschein-Nr. 4164307 - im Folgenden: Vertrag 1; 1991: Versicherungsschein-Nr. 4322761 - im Folgenden: Vertrag 2) zu Gunsten der Klägerin als versicherter Person ab. Die Laufzeit des Vertrages 1 war vom 01.03.1978 bis 01.03.2010, die des Vertrages 2 vom 01.12.1991 bis 01.12.2009. In den Versicherungsurkunden wurden die Verträge als "Direktversicherung" im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung bezeichnet. Mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses meldete der Arbeitgeber die Klägerin zum 31.03.2008 aus den Direktversicherungen ab. Ab 01.04.2008 war die Klägerin selbst Versicherungsnehmerin. Beide Verträge wurden ab 01.06.2008 prämienfrei fortgeführt. Die Klägerin zahlte Beiträge nur noch für zwei Monate auf den Vertrag 1; auf den Vertrag 2 zahlte sie nicht mehr ein, weil dieser per Jahresprämie bedient worden war und der Arbeitgeber die letzte Jahresprämie bereits gezahlt hatte.
Mit Schreiben vom 18.12.2009 und 03.03.2010 teilte die HDI-Gerling Lebensversicherung AG der Beklagten die Auszahlung folgender Kapitalleistungen mit: - aus dem Vertrag 1 zum 01.03.2010 88.302,69 EUR - aus dem Vertrag 2 zum 01.12.2009 7.880,56 EUR insgesamt 96.183,25 EUR.
Durch Bescheide vom 15.03. und 31.03.2010 stellte die Beklagte - zugleich im Namen der Pflegekasse - die Beitragspflicht aus der Gesamtkapitalleistung fest. Für die Beitragsbemessung gelte 1/120 der Leistung (= 801,53 EUR) als monatlicher Zahlbetrag, d.h. die Kapitalleistung werde vom 01.04.2010 bis 31.03.2020 auf zehn Jahre umgelegt. Ab 01.04.2010 betrage der Beitrag zur KV 119,43 EUR, zur PV 17,63 EUR, insgesamt monatlich 137,06 EUR.
Dagegen erhob die Klägerin am 29.03.2010 Widerspruch. Sie vertrat die Auffassung, nur die der Kapitalleistung zugrunde liegenden eingezahlten Gehaltsanteile könnten der Beitragsbemessung zugrunde gelegt werden, nicht aber die durch Überschuss- und Schlussgewinnbeteiligung bzw. Bewertungsreserven erhaltenen Kapitalerträge. Beitragspflichtig seien allenfalls 45.654,00 EUR.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 08.09.2010 - zugleich im Namen der Pflegekasse - zurück. Sie legte die der Beitragserhebung zugrunde liegenden Rechtsvorschriften dar und nahm Bezug auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bis zum Jahre 2008.
Dagegen hat die Klägerin am 30.09.2010 Klage erhoben.
Nachdem das BVerfG am 06.09.2010 (1 BvR 739/08) und 28.09.2010 (1 BvR 1660/08) grundlegende Entscheidungen zur Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus als Direktversicherungen abgeschlossenen Lebensversicherungen getroffen hatte, hat die HDI-Gerling Lebensversicherung AG auf Anfrage des Gerichts Kopien der wesentlichen Versicherungsunterlagen übersandt und mit Schreiben vom 25.02.2011 mitgeteilt, dass die Klägerin ab 01.04.2008 selbst Versicherungsnehmerin der beiden Verträge geworden sei und (nur) zum Vertrag 1 nach dem Ausscheiden beim Arbeitgeber noch für zwei Monate eigene Beiträge entrichtet habe; der Anteil der arbeitgeberfinanzierten Leistungen aus dem Vertrag 1 betrage 87.815,50 EUR. Desweiteren hat sie ...