Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung einer Versicherungsprämie als anzurechnendes Einkommen bei der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung
Orientierungssatz
1. Grundsätzlich ist bei der Anrechnung von Einkommen auf die Regelleistung des SGB 2 die Versicherungspauschale unabhängig davon in Abzug zu bringen, ob tatsächlich Beiträge zur privaten Versicherung aufgewendet worden sind (Anschluss BSG Urteil vom 13. Mai 2009, B 4 AS 39/08 R).
2. Nach dem Urteil des BSG vom 10. Mai 2011 ist dagegen bei der Angemessenheit anrechenbarer Versicherungsbeiträge im existenzsichernden Bereich darauf abzustellen, für welche Lebensrisiken und in welchem Umfang Bezieher knapper Einkommen Vorsorgeaufwendungen zu tätigen pflegen und welche individuellen Lebensverhältnisse die Situation des Hilfebedürftigen prägen (Anschluss BSG Urteil vom 10. Mai 2011, B 4 AS 139/10).
3. Der durchschnittliche Bezieher von Einkommen knapp oberhalb der Grundsicherungsgrenze pflegt üblicherweise keinerlei Vorsorgeaufwendungen für private Unfallversicherungen zu tätigen. Deren Prämien sind damit vom auf die Regelleistung anrechenbaren Einkommen nicht in Abzug zu bringen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits, insbesondere die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger, sind zu 1/2 vom Beklagten zu erstatten.
Tatbestand
Die Kläger begehren die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (im Folgenden: SGB II) unter Gewährung der Versicherungspauschale für die Kläger zu 3) und zu 4).
Die Kläger zu 3) und zu 4) sind im Rahmen eines Familientarifs privat unfallversichert. Versicherungsnehmerin ist die Klägerin zu 2).
Mit Schreiben vom 28.05.2010 beantragten die Kläger die Gewährung der Versicherungspauschale für die Kläger zu 3) und zu 4).
Mit Bescheid vom 15.06.2010 lehnte der Beklagte diesen Antrag ab.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.09.2010 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger vom 15.06.2012 als unbegründet zurück.
Mit der am 23.09.2012 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren gerichtlich fort.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid vom 02.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2010 abzuändern und den Klägern Leistungen unter Berücksichtigung der privaten Unfallversicherung zugunsten der Kinder zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und die Kläger zur Erstattung der bereits gewährten Versicherungspauschale zu verurteilen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung durch die Kammer waren.
Entscheidungsgründe
I.
Die teilweise zulässige Klage ist nicht begründet.
1. Hinsichtlich des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) ist die Klage bereits nicht zulässig. Sie sind durch die Nichtberücksichtigung der Versicherungspauschale bei den Klägern zu 3) und zu 4) nicht beschwert.
2. Hinsichtlich der Kläger zu 3) und zu 4) ist die Klage nicht begründet. Ihnen steht kein Anspruch auf Absetzung der Versicherungspauschale zu. Die Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.
a. Unschädlich ist entgegen der Auffassung des Beklagten jedoch, dass die Kläger zu 3) und zu 4) die Versicherung nicht selbst - als Versicherungsnehmer - abgeschlossen hat. Grundsätzlich ist nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung zuständigen Senate des BSG die Versicherungspauschale unabhängig davon in Abzug zu bringen, ob tatsächlich Beiträge zu privaten Versicherungen aufgewendet worden sind (vgl BSG Urteile vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 3; 18.6.2008 - B 14 AS 55/07 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 4; 13.5.2009 - B 4 AS 39/08 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 23). Die mangelnde Abzugsmöglichkeit der Versicherungspauschale vom Einkommen des Kindes, das in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, ist in der Rechtsprechung des BSG damit gerechtfertigt worden, dass im Regelfall das Kind an den für die Bedarfsgemeinschaft abgeschlossenen Versicherungen partizipiert und sein Einkommen in erster Linie zur Deckung des eigenen Lebensunterhalts dienen soll (BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 39/08 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 23). Unter Berücksichtigung dessen soll die durch die Änderung der Alg II-V eröffnete Möglichkeit, auch vom Einkommen des minderjährigen Kindes in der Bedarfsgemeinschaft eine Versicherungspauschale in Abzug zu bringen, daher nur dann ergriffen werden können, wenn für das Kind eine eigene Versicherung abgeschlossen worden ist, die sein Einkommen auch tatsächlich belastet. Dieses setzt jedoch nur voraus, dass eine für das Kind zu finanzierende Versicherung vorhanden ist, die nicht in der Gesamtvorsorge der Bedarfsgemeinschaft aufgeht. Nicht erforderlich ist, dass das Kind den Versicherungsvertrag selbst geschlossen hat. Ebenfalls unschädlich ist, dass es sich im vorliegenden Fall um eine "Paketversicherung" handelt, vgl. Bundessozialgericht, Urt. v. 10.05.2011, Az. B 4 AS 1...