Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Versorgung mit anderen Hilfsmitteln. Kraftfahrzeughilfe. Beschaffung und behindertengerechter Umbau eines Kraftfahrzeuges. Angewiesensein auf die Benutzung des Kraftfahrzeuges. Vergleich mit nichtbehinderten Menschen
Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch eines behinderten Menschen auf Bewilligung von Leistungen der Kfz-Hilfe als Eingliederungshilfeleistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft besteht sowohl zur Beschaffung des Fahrzeuges als auch zu dessen Umbau bei gleichen Voraussetzungen. Ob ein behinderter Mensch auf ein Kraftfahrzeug im Sinne des Gesetzes angewiesen ist, bestimmt sich durch einen Vergleich mit den Möglichkeiten eines nicht behinderten Menschen. Es ist insbesondere ein Vergleich zu einem in der gleichen Lebenssituation befindlichen Menschen ohne Behinderung und ohne Bezug von Sozialhilfeleistungen durchzuführen.
Orientierungssatz
1. Im Rahmen dieser Vergleichsbewertung ist zu beachten, dass eine ehrenamtliche Tätigkeit in besonderer Weise zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gehört (vgl BSG vom 23.8.2013 - B 8 SO 24/11 R = ZFSH/SGB 2013, 696).
2. Ebenso ist in Rechnung zu stellen, wenn der behinderte Mensch in der Vergangenheit bereits einen eigenen Pkw genutzt und seine persönliche Lebensführung auf die Nutzung eines eigenen Kraftfahrzeuges ausgerichtet hat.
3. Auch ist dem Lebensalter des behinderten Mensch besonders Beachtung zu schenken. Jüngere Menschen entwickeln üblicherweise verstärkt gesellschaftliche Aktivitäten (vgl BSG vom 2.2.2012 - B 8 SO 9/10 R = SozR 4-5910 § 39 Nr 1).
4. Wenn durch den Leistungsträger zumutbar auf öffentliche Verkehrsmittel und ggf ergänzend auf einen Behindertenfahrdienst verwiesen werden kann, scheidet regelmäßig ein Anspruch auf Bewilligung von Leistungen für die Beschaffung eines behindertengerecht umgebauten Pkws aus. Dies gilt ebenfalls dann, wenn für die Fahrten, die der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft dienen, ohnehin ein Pkw zur Verfügung steht (vgl BSG vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R = FEVS 66, 5).
Tenor
Der Bescheid vom 08.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2013 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Kraftfahrzeughilfe neu zu bescheiden in der Form, dass die Übernahme der Kosten für ein angemessenes und geeignetes Fahrzeug bewilligt wird.
Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Berechtigung des Klägers, vom Beklagten Leistungen der Eingliederungshilfe für die Ersatzbeschaffung eines behindertengerecht umgebauten Pkw zu beziehen.
Der Kläger ist am G. 1978 geboren und wohnt im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Er leidet unter einer Osteogenesis imperfecta (Glasknochenkrankheit). Infolge dessen ist er weniger als einem Meter groß, seine Knochen sind extrem bruchgefährdet und er kann sich nur mit einem speziell für ihn angepassten Rollstuhl fortbewegen. Bei ihm ist ein GdB von 100 anerkannt sowie die Merkzeichen G, aG und H.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 07.06.2011 bei Beklagten Leistungen der Eingliederungshilfe in Form von Kraftfahrzeughilfe zum Erwerb und Umbau eines neuen Pkw nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches - Sozialhilfe (SGB XII). Der Kläger besitzt einen etwa 19 Jahre alten Pkw Toyota RAV 4, der für ihn individuell behinderungsgerecht umgebaut worden ist. Der Kläger kann den Pkw selbst fahren. Er hat inzwischen einen Kilometerstand von 150.000 erreicht. Ausweislich eines in den Verwaltungsakten befindlichen Gutachtens des Ingenieurbüros H. GbR vom 23.08.2011 zur Fahrzeugbewertung hatte das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt einen Restwert von 750 Euro. Der Wagen wurde durchgängig vom Kläger gefahren. Der behindertengerechte Umbau des Fahrzeuges wurde in der Vergangenheit unter Kostentragung der Bundesagentur für Arbeit realisiert. Dieser behindertengerechte Umbau des Fahrzeuges umfasste ein Sonderlenkrad, einen klappbaren Notsitz hinter dem Beifahrersitz, eine Zusatzheizung, Pedalerhöhungen, elektrische Sitzlehne und Sitzhöhenverstellung, Fahrersitz mit verkürzter Sitzfläche, zusätzliche Verstärkung der Lenk- und Bremskräfte, einen Rollstuhllift und einen elektrischen Hecktüröffner mit Fernbedienung. Bei dem Fahrzeug steht im Monat Februar 2014 eine Tüv Abnahme an. Mit Antragstellung beim Beklagten legte der Kläger ein Angebot der Behinderten Automobile I. GmbH für ein Neufahrzeug Opel Vivaro Combi mit vergleichbaren behindertengerechten Anpassungen vor zu einem Rechnungsbetrag von brutto 69.946,20 Euro.
Mit hier streitigem Bescheid vom 08.10.2012 lehnte der Beklagte die Bewilligung von Leistungen der Kraftfahrzeughilfe für den Kläger ab. Diese Entscheidung wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2013 bestätigt. Der Kläger sei nicht auf einen Pkw angewiesen. Er könne keinen Anspruch auf Leistungen insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben geltend machen, da er ni...