Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwerbsminderungsrente: Leistungen an Berechtigte mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland

 

Orientierungssatz

1. Bei gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland besteht kein Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente anstatt einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wegen Verschlossenheit des Arbeitsmarktes (sog. Arbeitsmarktrente).

2. Aufgrund verminderter Erwerbsfähigkeit Berechtigte, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, erhalten eine Rente nur, wenn der Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 20.12.2016; Aktenzeichen B 5 R 218/16 B)

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung statt der derzeitig gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Mit Bescheid vom 15.03.2012 hatte die Beklagte den Bescheid vom 09.02.2009, mit dem der Kläger wegen des verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis 29.02.2012 gewährt worden war, gemäß § 48 SGB X insoweit aufgehoben, als aufgrund des Verzuges des Klägers in die Türkei am 30.07.2009 anstelle der bisher gewährten Rente nur noch Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer gewährt wurde. Gleichzeitig wurde die für den Zeitraum vom 01.08.2009 bis 31.03.2012 entstandene Überzahlung in Höhe von 7.052,50 EUR gemäß § 50 SGB X zurückgefordert.

Der hiergegen erhobene Rechtsbehelf war von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 16.05.2012 als unbegründet zurückgewiesen worden, da sich der Kläger seit 30.07.2009 überwiegend in der Türkei aufhielt, seitdem bis heute beim Kläger ein mindestens dreistündiges Leistungsvermögen bestand und er die im Bescheid vom 09.02.2009 enthaltenen Mitteilungspflichten nicht erfüllt hatte.

Hiergegen hatte der Kläger am 20.06.2012 Klage erhoben (vgl. Akte des Sozialgerichts Bayreuth mit dem Az. S 16 R 810/12).

Nachdem das Gericht Befundberichte der den Kläger ab Januar 2009 behandelnden Ärzte, die Unterlagen des Blutspendedienstes sowie die Akten der AOK B-W und des Landratsamtes A-D-Kreis, Fachdienst Versorgung, beigezogen hatte, hat das Gericht den Internisten und Sozialmediziner Dr. G. mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt, insbesondere zur Frage, ob gegebenenfalls seit dem Verzug in die Türkei am 30.07.2009 (bzw. schon vorher oder nachher) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Seiten des Klägers ein unter dreistündiges Leistungsvermögen vorliegt oder nach wie vor, wie von der Beklagten angenommen, ein drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen vorliege.

Dr. G. ist in seinem Gutachten vom 28.01.2013 zu der Feststellung gelangt, dass sich auch seit dem Verzug in die Türkei am 30.07.2009 kein unter dreistündiges Leistungsvermögen eingestellt hat, sondern auch damals das Leistungsvermögen mit drei- bis unter sechsstündig täglich hinsichtlich leichter Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes einzuschätzen sei.

Am 25.11.2013 hatte das Gericht in dem Rechtsstreit S 16 R 810/12 eine Anfrage an die Bevollmächtigte gerichtet. Die Bevollmächtigte hat daraufhin während des laufenden Klageverfahrens in der Sache S 16 R 810/12 einen Rentenantrag des Klägers, gerichtet auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente, bei der Beklagten eingereicht. Die Bevollmächtigte hat am 21.01.2014 telefonischen Kontakt zur Beklagten aufgenommen. Einem Aktenvermerk vom 22.01.2014 (vgl. Blatt 280 und Rs. der Beklagten) ist zu entnehmen, dass die Klage unbegründet sei, soweit zum Zeitpunkt des Umzugs des Klägers und auch weiter von einem drei- bis unter sechsstündigen Leistungsvermögen auszugehen sei. Eine spätere Verschlechterung des quantitativen Leistungsvermögens des Versicherten führe zu einem neuen Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung. Eine entsprechende Rente könne nur auf Antrag gewährt werden. Über einen solchen Antrag sei außerhalb des Klageverfahrens zu entscheiden.

Mit dem Schreiben vom 29.04.2014 nahm die Bevollmächtigte die unter dem Az.

S 16 R 810/12 geführte Klage zurück.

Über dem weiteren Rentenantrag vom 14.01.2014 entschied die Beklagte durch den Bescheid vom 02.10.2014. Sie lehnte den Antrag auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung ab, weil der Kläger die medizinischen Voraussetzungen für diese Rente nicht erfülle. Der Kläger habe jedoch weiteren Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Die Beklagte führte zur Begründung der ablehnenden Entscheidung aus, dass bei dem Kläger vor allem die folgenden Krankheiten oder Behinderungen vorlägen:

Kongenitale sideroblastische Anämie;

Fanconi-aplastische Anämie;

Diabetes mellitus Typ 2.

Die Einschränkungen, die sich aus ihren Krankheiten oder Behinderungen ergäben, führten nicht zu einem Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Denn nach medizinischer Beurteilung könne der Kläger noch mindestens drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeit...

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