Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Honorarkürzung. Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten. Nachweis der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs. Beweislast

 

Leitsatz (amtlich)

1. Von einem übergroßen Praxisumfang iS des § 32 Abs 3 Ärzte-ZV ist im Fall einer Hausarztpraxis nicht schon dann auszugehen, wenn die Fallzahlen des Vertragsarztes das Doppelte des Fachgruppendurchschnitts überschreiten.

2. Liegt ein übergroßer Praxisumfang iS des § 32 Abs 3 Ärzte-ZV vor, muss die Beklagte nachweisen, dass die Beschäftigung des Weiterbildungsassistenten der Aufrechterhaltung des übergroßen Praxisumfangs dient.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Abänderung des Honorarbescheides vom 14.05.2013 für das Quartal IV/2012 sowie des Honorarbescheides vom 20.08.2013 für das Quartal I/2013, beide in Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 07.08.2014 sowie des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2014 verurteilt, der Klägerin weitere 12.882,96 Euro (brutto) für das Quartal IV/2012 und 18.903,16 Euro (brutto) für das Quartal I/2013 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Klägerin im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über Honorarkürzungen wegen der Beschäftigung einer Weiterbildungsassistentin zur Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs für die Quartale IV/2012 und I/2013 in Höhe von insgesamt 31.786,12 Euro (12.882,96 € für IV/2012 und 18.903,16 € für I/2013).

Die Klägerin ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und nimmt seit dem 01.04.2007 im Verwaltungsbezirk Friedrichshain-Kreuzberg an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Seit dem Quartal III/2012 beschäftigte sie eine Weiterbildungsassistentin.

Mit Honorarbescheid für das Quartal IV/2012 setzte die Beklagte für die Klägerin ein Honorar i.H.v. 71.750,65 Euro fest. Darin war eine Kürzung des Honorars aufgrund der Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten (Kürzung P1) i.H.v. 23.027,20 Euro enthalten. Mit Honorarbescheid für das Quartal I/2013 setzte die Beklagte für die Klägerin ein Honorar i.H.v. 69.446,74 Euro fest. Darin war eine Kürzung des Honorars aufgrund der Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten (Kürzung P1) i.H.v. 28.774,730 Euro enthalten. Den gegen beide Honorarbescheide eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass die Kürzungen aufgrund der Beschäftigung der Weiterbildungsassistentin rechtswidrig seien.

Mit Bescheid vom 07.08.2014 half die Beklagte den Widersprüchen der Klägerin teilweise ab. Unter der nunmehr zu erfolgenden Zugrundelegung absoluter Arztfälle als Kriterium für die Prüfung des Praxisumfangs (P1) ergäbe sich eine Kürzungssumme aufgrund der Beschäftigung der Weiterbildungsassistentin im Quartal IV/2012 i.H.v. 12.882,96 Euro und im Quartal I/2013 i.H.v. 18.903,16 Euro.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.2014 wies die Beklagte den weitergehenden Widerspruch der Klägerin zurück. Die weiterhin verbleibenden Kürzungen entsprächen den Vorgaben des § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV und denen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Nach der gewährten Teilabhilfeentscheidung stellten sich die Werte in den streitigen Quartalen wie folgt dar:

Quartal

IV/2012

Quartal

I/2013

Tätigkeitsumfang des Arztes

1,00

1,00

Fallzahl (aktuell) des Arztes

1.990,00

2.252,00

Bruttohonorar des Arztes

94.777,85 €

98.221,11 €

Fallwert (Bruttohonorar/Fallzahl)

47,63 €

43,62 €

Prüfung Praxisumfang (P1)

Durchschnittliche Fallzahl WBA-Fachgruppe

859,76

909,32

Durchschnittliche Fallzahl WBA-Fachgruppe

(gewichtet nach Tätigkeitsumfang)

859,76

909,32

Fallzahl maximal (200%)

1.719,52

1.818,64

Fallzahlüberschreitung

270,48

433,36

Honorarüberschreitung

(FZ-Überschreitung x Fallwert)

12.882,92 €

18.903,16 €

Am 14.11.2014 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, die Kürzungen aufgrund der Beschäftigung der Weiterbildungsassistentin seien rechtswidrig. Es existiere schon keine ausreichende Rechtsgrundlage. § 106a SGB V könne nur bei sachlich oder rechnerisch falscher Abrechnung herangezogen werden. Vorliegend gründe sich der Vorwurf jedoch nicht darauf, dass eine Diskrepanz zwischen erbrachter und abgerechneter Leistung bestehe, sondern darauf, dass bei der Umsatzerzielung (angeblich) “unlautere Mittel„ eingesetzt worden seien. Dies stelle jedoch kein Fall des Anwendungsbereichs des § 106a SGB V dar. Zwar habe das BSG in seinem Urteil vom 17.03.2010 (BSG, Urteil vom 17. März 2010 - B 6 KA 13/09 R -, SozR 4-2500 § 85 Nr 51) darauf hingewiesen, dass eine Richtigstellung nach § 106a SGB V grundsätzlich auch auf eine mit § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV unvereinbare Leistungserbringung gestützt werden könne. Die maßgebliche Ermächtigungsgrundlage für § 32 Ärzte-ZV (§ 98 SGB V) ermächtige den Verordnungsgeber jedoch nicht zur Regelung von Honorarkürzungen. Hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlage für Normen der Ärzte-ZV sei in diesem Zusammenhang auch auf die Entscheidung des BVerfG vom 26.09.2016 (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 26. September...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Kranken- und Pflegeversicherungs Office enthalten. Sie wollen mehr?