Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. freiwilliges Mitglied. hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger ohne positive Einkünfte. Bezug von Überbrückungsgeld. kein Anspruch auf Krankengeld. einschränkende Auslegung des § 47 Abs 4 S 2 SGB 5

 

Leitsatz (amtlich)

Überbrückungsgeld gemäß § 57 SGB 3 ist kein Arbeitseinkommen. Sein Bezug löst deshalb keinen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung für freiwillige Mitglieder aus.

 

Orientierungssatz

1. Die Regelung des § 47 Abs 4 S 2 SGB 5 ist einschränkend dahin auszulegen, dass die Verweisung auf das Beitragsrecht sich nicht auf das der Beitragsberechnung zu Grunde liegende Einkommen insgesamt bezieht, sondern lediglich auf denjenigen Teil der im Veranlagungszeitraum (Kalenderjahr) zugeflossenen Einkünfte, der als Arbeitseinkommen für die rechtliche Zuordnung zu den verschiedenen Varianten der Beitragsbemessung nach § 240 Abs 4 S 2 SGB 5 maßgebend ist (vgl BSG vom 30.3.2004 - B 1 KR 32/02 R = BSGE 92, 260 = SozR 4-2500 § 47 Nr 1).

2. Die einschränkende Auslegung des § 47 Abs 4 S 2 SGB 5 ist nicht nur verfassungsrechtlich erlaubt, sondern sogar geboten (vgl BSG vom 7.12.2004 - B 1 KR 17/04 R = USK 2004-61).

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Krankengeld.

Der 1956 geborene Kläger war bis 30.12.2004 als Pflichtmitglied bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert, zuletzt wegen Leistungsbezug von der Bundesagentur für Arbeit. Am 12.01.2005 stellte er den Antrag auf freiwillige Mitgliedschaft ab dem 31.12.2004. (zuletzt wegen Leistungsbezug der Bundesagentur für Arbeit). Er sei seit 31.12.2004 als freiberuflich selbstständiger Diplom-Ingenieur tätig. Bisher habe er noch keine positiven Einkünfte, weshalb er um eine Einstufung nach Mindesteinkommen bitte. Er legte einen Bescheid der Bundesagentur für Arbeit, Braunschweig vom 07.01.2005 bei. Diese hatte ihm Überbrückungsgeld nach § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) für die Zeit vom 31.12.2004 bis 29.06.2005 in Höhe von 1.543,32 Euro pro Monat bewilligt. Die Beklagte führte die freiwillige Mitgliedschaft entsprechend dem Antrag des Klägers mit einem Anspruch auf Krankengeld ab der vierten Woche der Arbeitsunfähigkeit durch.

Ab dem 26.04.2005 war der Kläger, bestätigt durch ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und von der Beklagten unbestritten, arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 01.08.2006 bezieht der Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Am 22.05.2005 stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag, ihm ab 17.05.2005 Krankengeld zu zahlen. Er habe zwar aus seiner selbstständigen Tätigkeit keinerlei positive Einnahmen erzielt. Jedoch habe er vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Einkommen, nämlich das Überbrückungsgeld bezogen.

Mit Bescheid vom 14.06.2005 lehnte die Beklagte die Zahlung von Krankengeld ab. Zwar sei der Krankengeldanspruch dem Grunde nach gegeben. Ein Zahlbetrag ergäbe sich jedoch nicht, weil durch die Arbeitsunfähigkeit kein Arbeitseinkommen weggefallen sei. Die Beklagte bezog sich dabei auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 30.03.2004.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er habe unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Einkommen erzielt, nämlich das Überbrückungsgeld der Bundesagentur für Arbeit. Im Übrigen müsse sich die Höhe des Krankengeldes aus dem für die Beitragsbemessung zu Grunde gelegten Mindesteinkommen errechnen. Dies ergebe sich aus § 47 Abs. 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V).

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie bezog sich auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, insbesondere ein Urteil vom 07.12.2004 (B 1 KR 70/04 R). Das Krankengeld sei bei freiwillig Versicherten, die Beiträge aus Mindesteinkommen zahlen nur nach dem tatsächlich weggefallenen Arbeitseinkommen zu zahlen. Es könne auch bei Null liegen. Eine Verfassungswidrigkeit sei darin nicht zu sehen. Das Überbrückungsgeld selbst sei kein Einkommen welches durch die Arbeitsunfähigkeit entfalle.

Dagegen hat der Kläger am 31.10.2005 Klage erhoben. Die Rechtsprechung des BSG sei falsch, denn es sei verfassungswidrig, das Äquivalenzprinzip zwischen Beitrag und Höhe des Krankengeldes außer Kraft zu setzen. Er habe Beiträge entsprechend dem Mindesteinkommen gezahlt. Damit stehe auch das versicherte Risiko für das Krankengeld fest. Zumindest müsse Krankengeld aus der Höhe des Überbrückungsgeldes gezahlt werden, denn dieses sei eindeutig beitragspflichtiges Einkommen.

Der Kläger beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 14.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2005 abzuändern,

2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Krankengeld ab 30.06.2005 bis 31.07.2006 in gesetzlich vorgesehenem Zeitrahmen zu zahlen auf der Grundlage des bezogenen Überbrückungsgeldes, hilfsweise auf der Grundlage des Mindesteinkom...

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