Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. keine Verwaltungsgebühren und Portokosten bei Akteneinsicht
Leitsatz (amtlich)
Für die Anfertigung von Kopien durch die Behörde und deren Versendung sind in sozialrechtlichen Angelegenheiten weder Verwaltungsgebühren, noch Portokosten in Rechnung zu stellen.
Orientierungssatz
1. Nach Sinn und Zweck des § 64 Abs 1 SGB 10 soll der Bürger in Verfahren, die sich nach den Büchern des Sozialgesetzbuches richten, von Kosten und Auslagen freigestellt werden, denn diese Vorschrift verfolgt den Zweck dem Bürger Kostenfreiheit in allen sozialrechtlichen Verfahren zu gewährleisten. Unklarheiten, wie die fehlende Definition des Begriffes der “Aufwendungen„ im § 25 Abs 5 S 2 SGB 10 müssen zu Lasten der Behörde gehen, mit der Folge, dass lediglich die sächlichen Aufwendungen auf den Bürger umgelegt werden können.
2. Gebühren sind Geldleistungen, die als Gegenleistung für individuell zurechenbare Inanspruchnahme oder Leistung des Staates von demjenigen erhoben werden, auf dessen Veranlassung oder in dessen Interesse die Inanspruchnahme oder Leistung erfolgte. Auslagen sind die im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Behörde anfallende Kosten wie Porto-, Telefon- und Verwaltungskosten. Nicht zu den Auslagen gehören dagegen die personellen und sächlichen Verwaltungskosten, dh, die Aufwendungen, die der Behörde im regelmäßigen Geschäftsgang entstehen.
3. Az beim Sächsischen Landessozialgericht: L 6 SB 34/11
Tenor
1) Der Bescheid der Beklagten vom 16.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2010 wird aufgehoben, soweit durch ihn Verwaltungsgebühren in Höhe von 5,00 € und Portokosten in Höhe von 1,45 € festgesetzt wurden.
2) Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
3) Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Verwaltungsgebühren für die Gewährung von Akteneinsicht in Höhe von 5,00 € und über die Frage, ob Portogebühren in Höhe von 1,45 € erhoben werden können.
Mit Antrag vom 09.07.2009 begehrte der Kläger die Anerkennung als Schwerbehinderter, den die Beklagte mit Bescheid vom 17.11.2009 dahingehend beschied, dass ein GdB (Grad der Behinderung) von 40 zuerkannt wurde. Gegen den Bescheid legte der Klägervertreter, der als Rentenberater eine Registrierung im Rechtsdienstleistungsregister verfügt und der zwischenzeitlich vom Kläger mit der Vertretung seiner Interessen beauftragt worden ist, Widerspruch ein und beantragte Akteneinsicht, die ihm allerdings nur in den Räumen der Beklagten gewährt wurde. Daraufhin wurde fernmündlich vereinbart, dass die Beklagte die entscheidungserheblichen Unterlagen kopiere und dem Klägervertreter zusende, was auch erfolgte.
Mit Bescheid vom 16.04.2010 wurden für die Akteneinsichtnahme, das Anfertigen von Kopien und deren Versendung Gebühren von 10,50 € festgesetzt, davon 5,00 € für die Gewährung der Akteneinsicht und 1,45 € für Porto, da die Gebührensatzung der Beklagten derartige Gebühren und Auslagen vorsähe.
Der Widerspruch des Klägers vom 28.04.2010 wurde mit Bescheid vom 07.05.2010 zurückgewiesen, so dass der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 02.06.2010, eingegangen am übernächsten Tage, Klage einreichte, mit dem sinngemäßen Antrag,
den Bescheid der Beklagten vom 16.04.2010 in Gestalt desWiderspruchsbescheides vom 07.05.2010 aufzuheben, soweit er Verwaltungsgebühren in Höhe von 5,00 € und Portokosten in Höhe von 1,45 € festgesetzt hat.
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung
und verweist auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung.
Der Gericht hat zunächst durch Gerichtsbescheid entschieden, welcher der Beklagten am 08.10.2010 zugestellt wurde. Mit Schriftsatz vom 11.10.2010, eingegangen am 14.10.2010 hat der Beklagte die Durchführung der mündlichen Verhandlung beantragt.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt einschließlich des Inhaltes der der zur Sachverhaltsaufklärung beigezogenen Verwaltungsakte, insbesondere auf die erwähnten Bescheide und Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet, da der Kläger durch die Erhebung einer Verwaltungsgebühr für die Gewährung von Akteneinsicht und die Auferlegung von Portokosten in seinen Rechten verletzt, also beschwert ist (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Der Kläger hat die Klage wirksam auf die Erhebung der Verwaltungsgebühr und die Inrechnungstellung der Portokosten beschränkt.
Rechtsgrundlage für die Erhebung der Verwaltungsgebühr und die Inrechnungstellung der Portokosten ist die Gebührensatzung der Beklagten. Diese ist jedoch zur Überzeugung der Kammer auf Verfahren die sich nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches richten, nicht anzuwenden, da höherrangiges Recht, insbesondere also Gesetze anderweitige, also vorrangige Regelungen treffen.
Vorrangige Regelung ist hier § 64 Abs. 1 zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB-X). Danach werden für das Verfahren bei den Behörden nach dem SGB-X von den Behörden keinerlei Gebüh...