Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Übergang von Ansprüchen. Abfindungsanspruch gegenüber Arbeitgeber. Arbeitsentgeltanspruch. Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. ordentliche Kündigung. feststellender Verwaltungsakt
Leitsatz (amtlich)
1. Nach § 33 Abs 2 SGB 2 sind Ansprüche gegen Arbeitgeber nicht übergangsfähig, da insoweit die §§ 115, 116 SGB 10 vorgehen.
2. Der Anspruch auf eine in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbarte Abfindung geht nur nach § 115 Abs 1 SGB 10 auf den SGB 2 - Leistungsträger über, soweit in dem Vergleich eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Kündigungsfrist vereinbart wurde. Nur in diesem Fall enthält die Abfindung Arbeitsentgelt, anderenfalls stellt sie eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes dar.
Orientierungssatz
Eine Ermächtigung zum Erlass feststellender Verwaltungsakte bezüglich des gesetzlichen Forderungsübergangs lässt sich weder § 33 SGB 2 noch § 115 SGB 10 entnehmen.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 07.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2008 wird aufgehoben.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen den mit Bescheid vom 07.01.2008 von dem Beklagten geltend gemachten Anspruchsübergang nach §§ 33 Sozialgesetzbuch Zweites Buch, Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II), 115 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch, Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) bezüglich des Anspruchs der Klägerin gegen ihren früheren Arbeitgeber auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 1.500,00 €.
Die 1981 geborene Klägerin war seit dem 12.09.2000 in einem Restaurant in B-Stadt beschäftigt. Sie lebte in Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Tochter und erhielt ergänzende Leistungen nach dem SGB II von dem Beklagten.
Mit Schreiben vom 04.06.2007 kündigte der Arbeitgeber das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.07.2007. Im nachfolgenden Arbeitsrechtsstreit beim Arbeitsgericht C-Stadt einigte sich die Klägerin mit ihrem früheren Arbeitgeber wie folgt:
1. Die Parteien sind sich einig, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher, betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung vom 04.06.2007 mit Ablauf des 31.07.2007 geendet hat.
2. Der Beklagte zahlt an die Klägerin Restvergütung für Juni 2007 in Höhe von 97,05 € brutto, soweit nicht schon geschehen.
3. Der Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis bis zu seiner Beendigung ordnungsgemäß ab und zahlt die für die Klägerin sich ergebenden Beträge aus, soweit noch nicht geschehen.
4. Für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt der Beklagte an die Klägerin in Anlehnung an die §§ 9, 10 [Kündigungsschutzgesetz] KSchG eine Abfindung in Höhe von 1.500,00 € brutto.
5. […]
6. […]
Mit Schreiben an das Arbeitsgericht D-Stadt vom 05.09.2007 machte der Beklagte gemäß § 115 SGB X einen Anspruchsübergang geltend.
Mit Bescheid vom 07.01.2008 zeigte der Beklagte gegenüber der Klägerin den Übergang ihrer Ansprüche gegen ihren früheren Arbeitgeber gem. § 33 SGB II in Höhe von 3.035,91 € an. Gleichzeitig machte der Beklagte übergegangene Ansprüche in Höhe von 3.035,91 € gegenüber dem früheren Arbeitgeber der Klägerin geltend.
Am 28.01.2008 erhob die Klägerin gegen den Bescheid vom 07.01.2008 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, überleitungsfähig seien lediglich die in Ziffer 3 des Vergleichs zuerkannten Zahlungsansprüche der Klägerin, mithin ihr Lohnanspruch für den Monat Juli 2007. Die in Ziffer 4 zuerkannten Zahlungsansprüche in Höhe von 1.500,00 € würden einen Abfindungsanspruch gemäß §§ 9, 10 KSchG betreffen, der nicht übergeleitete werden könne.
Am 01.01.2008 zog die Klägerin von B-Stadt nach A-Stadt. Der frühere Arbeitgeber der Klägerin überwies den Abfindungsbetrag in Höhe von 1.500,00 € am 25.01.2008 an die Bundesagentur für Arbeit.
Mit dem Widerspruchsbescheid vom 08.02.2008 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, zwischen der gezahlten Abfindung und den Leistungen nach dem SGB II bestehe Zweckidentität. Die Abfindung sei ausschließlich für den Verlust des Arbeitsplatzes gewährt worden. Dies bedeute, dass sich der Leistungsanspruch der Klägerin gemindert hätte, wenn die Abfindung in Höhe von 1.500,00 € zum 31.07.2007 an die Klägerin ausgezahlt worden wäre. Die der Klägerin unter normalen Umständen bereits im Juli 2007 ausgezahlte Abfindung sei eine Einnahme in Geld und damit Einkommen. Die Leistung aus der Abfindung sei auch nicht anrechnungsfrei. Bei Zufluss im Juli 2007 hätte die Einnahme im Zeitraum von Juli 2007 bis einschließlich Dezember 2007 berücksichtigt werden können.
Am 01.04.2008 hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, nach § 115 Abs. 1 SGB X würden Lohn- oder Gehaltsansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber nur bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen und nur insoweit auf den Leistungsträger übergehen, als der Arbeitgeber den Anspruch des Arb...