Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Anspruch auf Kostenübernahme für die Kosten einer Klassenfahrt. Anforderungen an den Zeitpunkt der Antragstellung auf Kostenübernahme. Zulässigkeit der Leistungsbeschränkung bei Anwendung landesrechtlicher Erlasse zur Ausgestaltung von Schulfahrten
Orientierungssatz
1. Die Übernahme der Kosten für eine Klassenfahrt durch den Träger der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende kommt nur in Betracht, wenn der Antrag auf Leistungsgewährung spätestens in dem Monat gestellt wird, in dem die Klassenfahrt stattfinden soll.
2. Wurden die Kosten einer Klassenfahrt mehr als einen Monat vor dem geplanten Beginn der Fahrt den Eltern mitgeteilt, ist im Regelfall davon auszugehen, das diesen die rechtzeitige Stellung eines Antrags auf Kostenübernahme beim Grundsicherungsträger möglich ist. Eine anspruchswahrende Selbstvornahme ist in diesem Fall nicht gerechtfertigt.
3. Als schulrechtliche Bestimmungen, welche die Voraussetzungen für die Kostenübernahme einer Schulfahrt im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende bestimmen, gehören auch Verordnungen und Erlasse der jeweiligen Landesbehörden, die Vorgaben und Begrenzungen in Bezug auf Anzahl, Dauer und Umfang von mehrtägigen Schul- und Klassenfahrten enthalten.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Übernahme von Kosten i.H.v. 280 € für ein mehrtägiges Vermessungspraktikum in Tschechien.
Die 1999 geborene Klägerin lebt mit ihren Eltern und ihrer jüngeren Schwester D. zusammen. Die Familie bezieht seit 01.01. 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Die Klägerin besuchte zunächst für mehrere Jahre die E-Schule in E-Stadt, welche jährlich einen mehrtägigen Aufenthalt in einem Landschulheim in F-Stadt mit Übernachtungen durchführte. In den Jahren 2012, 2013 und 2014 nahm die Klägerin an diesen Fahrten teil. Die hierfür entstandenen Kosten von 110,00 € bzw. 150,00 € wurden von dem Beklagten übernommen.
Ab dem Jahr 2016 besuchte die Klägerin die Freie Waldorfschule E-Stadt. Diese organisierte vom 04.07.2016 bis zum 13.07.2016 eine als Feldmesspraktikum bezeichnete Klassenfahrt nach G-Stadt (Tschechien). Mit E-Mail vom 10. und 11.06.2016 hatte die Schule die Eltern über die Klassenfahrt und die anfallenden Kosten i.H.v. 280 € informiert. Gleichzeitig hatte sie die Eltern aufgefordert, das Geld bis zum 29.06.2016 zu überweisen. Dieser Aufforderung kamen die Eltern der Klägerin nach.
Ein auf den 20.06.2016 datiertes Schreiben der Schule mit Informationen über den Aufenthaltsort, wichtige Telefonnummern, Treffpunkt für Abfahrt und Rückkehr und eine Liste über die mitzubringen Gegenstände erhielten die Eltern am 03.07.2016. Daraufhin rief der Vater der damals noch minderjährigen Klägerin am selben Tag bei dem Beklagten an und erkundigte sich, ob die Kosten übernommen würden. Mit wem genau telefoniert hat, ist unbekannt.
Am 20.07.2016 stellten die Eltern der Klägerin einen schriftlichen Antrag auf Übernahme der Kosten für die Klassenfahrt. Diesen lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 26.08.2016 ab und begründete dies damit, dass sich hierbei um den vierten Schulausflug der Klägerin innerhalb der Jahrgangsstufen 5-10 handeln würde. Nach I.1. Nr. 3 S. 1 des Erlasses des Hessischen Kultusministeriums über Schulwanderungen und Schulfahrten vom 07.12.2009 dürften Schüler an höchstens drei mehrtägigen Veranstaltungen, die sich auf drei verschiedene Schuljahre und drei verschiedene Kalenderjahre verteilen müssten, teilnehmen. Deswegen könne auch die Behörde die Kosten für die vierte Schulfahrt nicht übernehmen.
Hiergegen erhoben die Eltern der Klägerin am 07.09.2016 Widerspruch. Der Ministerialrat hebele ein Bundesgesetz aus, was unzulässig sei. § 28 Abs. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - SGB II - kenne keine Einschränkung von Schulfahrten in Bezug auf deren Häufigkeit.
Mit Bescheid vom 30.12.2016 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. § 28 Abs. 2 S. 1 SGB II verweise auf die schulrechtlichen Bestimmungen, bei welchen es sich um Landesrecht handele und zu welchem auch untergeordnete Verwaltungsvorschriften wie Erlasse gehörten. Die Bestimmungen dieses Erlassen müssten daher eingehalten sein, damit die Klassenfahrt den schulrechtlichen Bestimmungen entspreche. Es werde dadurch nicht versucht, Bundesgesetz auszuheben, vielmehr verweise das Bundesgesetz selbst ergänzend auf landesrechtliche Bestimmungen.
Am 17.01.2017 hat die Klägerin Klage erhoben. Die Klägerin ist der Ansicht, der Ministerialerlass verstoße gegen das Bildungspaket des Bundesministeriums und setze ein Bundesgesetz außer Kraft, indem er nur eine Bezahlung für drei Fahrten erlaube. Der Erlass stünde nicht im Einklang mit der sozialgerichtlichen Rechtsprechung auf Bundes-Länderebene. Auch sei das Transparenzgebot missachtet und Eltern müssten spekulieren, ob sie ihr Kind an diesem oder jenem Ausflug teilnehmen ließen oder auf bessere...