Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Feststellung von Versicherungszeiten eines polnischen Arbeitnehmers für Tätigkeiten im Bundesgebiet. Anforderung an Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet
Orientierungssatz
1. Bei der Prüfung, ob für einen polnischen Arbeitnehmer Zeiten der Berufstätigkeit im Bundesgebiet als Versicherungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen sind, kommt es darauf an, ob bei Begründung des Aufenthalts im Bundesgebiet dieser Aufenthalt auf Dauer angelegt war und insoweit ein gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet bestand. Entscheidend für diese Beurteilung ist nicht die nachträglich tatsächlich feststellbare Dauer des Aufenthalts, sondern die Prognoseentscheidung, wie sie sich bei Begründung des Aufenthalts aus den damals maßgeblichen Umständen ergab.
2. Einzelfall zur Beurteilung des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthalts eines ausländischen Arbeitnehmers im Bundesgebiet als Voraussetzung der Anerkennung von Beschäftigungszeiten als rentenrechtliche Versicherungszeiten (hier: gewöhnlicher Aufenthalt bejaht).
Tenor
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 12. Juli 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 2013 verpflichtet, die im Herkunftsgebiet des Klägers zurückgelegten Versicherungszeiten unter Berücksichtigung des deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommens vom 9. Oktober 1975 festzustellen.
Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anwendbarkeit des deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommens vom 9. Oktober 1975 streitbefangen.
Der am ... 1966 in Polen geborene Kläger war dort von September 1981 bis August 1984 und von Juli 1987 bis zum 14. Oktober 1990 als Elektromonteur, Apparatewärter und Schlosser beschäftigt. Im September 1990 wurde er als Leistungssportler in der Sportart Handball nach Deutschland abgeworben, wo er seit 15. Oktober 1990 ununterbrochen wohnt/seinen Aufenthalt hat. Wie damals üblich, wurden zur Sicherung des Einkommens Arbeitsverhältnisse zwischen einem ortsansässigen Unternehmen und dem Sportler geschlossen. Der Kläger zwar vom 15. Oktober bis 31. Dezember 1990 beim T.-V. W. beschäftigt. Nachgewiesen ist weiterhin eine Beschäftigung ab 15. Juli 1991 bis zum 30. Juni 1992 als Schreiner bei dem "W. Küchenstudio". Der Landkreis W. erteilte dem Kläger am 25. Januar 1991 eine Aufenthaltsgenehmigung bis zum 30. Juni 1991 und am 11. Juni 1991 eine Aufenthaltsbewilligung bis zum 30. Juni 1992. Auf den Kontenklärungsantrag des Klägers vom 13. Dezember 2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid nach § 149 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) vom 12. Juli 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 2013 mit, die Zeit vom 1. September 1981 bis 31. August 1984 und vom 1. September 1987 bis zum 14. Oktober 1990 könne nicht als rentenrechtliche Zeit vorgemerkt werden, weil sie von Art. 4 Abs. 2 des deutsch-polnischen Rentenabkommens vom 9. Oktober 1975 oder von Art. 2 Abs. 1 des Zustimmungsgesetzes zu diesem Abkommen nicht erfasst werde und die Voraussetzungen für eine Anerkennung nach dem Fremdrentengesetz ebenfalls nicht erfüllt seien.
Dagegen richtet sich die Klage vom 26. November 2013.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 12. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids zu verurteilen, die Versicherungszeiten im Herkunftsgebiet Polen für die Zeiten vom 1. September 1981 bis zum 31. August 1984 und vom 1. Juli 1987 bis zum 14. Oktober 1990 festzustellen und bei der Berechnung das deutsch-polnische Sozialversicherungsabkommen vom 9. Oktober 1975 (DPSVA 1975) anzuwenden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten (65 050166 Z 005), die dem Gericht vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid vom 12. Juli 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 2013 war abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, die im Herkunftsgebiet des Klägers Polen zurückgelegten Versicherungszeiten unter Berücksichtigung des deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommens vom 9. Oktober 1975 vorzumerken.
Art. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten-und Sozialversicherung vom 9. Oktober 1975 lautet:
Renten der Rentenversicherung werden vom Versicherungsträger des Staates, in dessen Gebiet der Berechtigte wohnt, nach den für diesen Träger geltenden Vorschriften gewährt (Abs.1).
Der in Absatz 1 genannte Träger berücksichtigt bei Feststellung der Rente nach den für ihn geltenden Vorschriften Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und diesen gleichgestellte Zeiten im anderen Staat so, als ob sie im Gebiet des ersten Staates zurückgelegt worden wären (Abs. 2).
Renten nach Abs...