Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwirkung des kostenrechtlichen Antrags- bzw. Erinnerungsrechts

 

Orientierungssatz

1. Über die Erinnerung des Rechtsanwalts bzw. der Staatskasse gegen eine Kostenfestsetzung nach § 55 RVG entscheidet gemäß § 56 Abs. 1 RVG das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Die Erinnerung ist nicht fristgebunden.

2. Eine Verwirkung des Antragsrechts bzw. des unbefristeten Erinnerungsrechts nach § 56 Abs. 1 RVG ist für beide Seiten nur dann anzunehmen, wenn die Kostenberechnung längst abgewickelt ist und sich alle Beteiligten darauf eingestellt haben, dass sich die Kostenfrage erledigt hat.

3. Das Verbot der reformatio in peius zugunsten des Rechtsanwalts gilt dann nicht, wenn auch die Gegenseite einen Rechtsbehelf einlegt.

 

Tenor

Die der Rechtsanwältin F im Verfahren S 2 SO 119/11 aus der Landeskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden auf die eigenständige Erinnerung des Bezirksrevisors vom 18.07.2013 festgesetzt auf insgesamt 374,85 Euro.

 

Gründe

I.

Im zugrunde liegenden Klageverfahren ging es um die Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren im Widerspruchsverfahren in Höhe von geltend gemachten 528,36 Euro. Auslöser des Widerspruchsverfahrens war wiederum, dass die Rechtsanwältin und Betreuerin geforderte Unterlagen nicht im Original vorgelegt hatte. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2012 wird Bezug genommen. Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 25.10.2012 beantragte die Rechtsanwältin die Festsetzung von Auslagen und Gebühren in Höhe von insgesamt 937,72 Euro. Auf den Antrag vom 25.10.2012 wird Bezug genommen. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25.10.2012 setzte die gerade neu im Haus befindliche Kostenbeamtin die zu erstattenden Gebühren auf 830,62 Euro fest, mithin sogar höher als das wirtschaftliche Interesse in der zugrunde liegenden Hauptsache, wobei sie die Sache als leicht überdurchschnittlich bewertete. Hiergegen legte die Rechtsanwältin mit Schriftsatz vom 03.11.2012 Rechtsmittel ein. Der Bezirksrevisor legte seinerzeit kein Rechtsmittel ein. Mit Beschluss vom 20.06.2013 wurde die Erinnerung der Rechtsanwältin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25.10.2012 zurückgewiesen. Auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen. Gegen diesen Beschluss legte die Rechtsanwältin Beschwerde ein. Gleichzeitig legte nun auch der Bezirksrevisor gegen die Entscheidung der Kostenbeamtin Erinnerung ein. Auf den Inhalt seines Schriftsatzes vom 16.07.2013 wird Bezug genommen. Dieser Schriftsatz wurde der Rechtsanwältin zur Kenntnis gegeben. Diese äußerte sich mit Schriftsatz vom 20.07.2013, auf dessen Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird.

II.

Die eigenständige Erinnerung der Landeskasse ist zulässig. Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet gemäß § 56 Abs. 1 RVG das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Abs. 3 entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. Im Fall der Beratungshilfe entscheidet das nach § 4 Abs. 1 des Beratungshilfegesetzes zuständige Gericht. Im Verfahren über die Erinnerung gilt gemäß § 56 Abs. 2 RVG der § 33 Abs. 4 Satz 1, Abs. 7 und 8 und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung § 33 Abs. 3 bis 8 entsprechend. Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Die Erinnerung ist insbesondere nicht fristgebunden. Das Antragsrecht ist auch nicht verwirkt. Dass eine Erinnerung der Staatskasse nach Auskehr der festgesetzten Vergütung nicht mehr möglich sei, wie teils in der Literatur vertreten (vgl. Hartmann, RVG, § 56 Rdnr.3) ist im Gesetz jedenfalls so nicht geregelt. Dies käme höchstens unter dem Aspekt der Verwirkung in Betracht. Eine solcher Tatbestand der Verwirkung liegt hier aber nicht vor (vgl. dazu Gerold/Schmidt, Kommentar zum RVG § 56 Rdnr.8 unter Bezugnahme auf die dortigen Ausführungen zu § 55 Rdnr.40 ff). Eine Verwirkung des Antragsrechts bzw. des unbefristeten Erinnerungsrechts nach § 56 Abs.1 ist für beide Seiten nur dann anzunehmen, wenn die Kostenberechnung längst abgewickelt ist und sich alle Beteiligten darauf eingestellt haben, dass sich die Kostenfrage erledigt hat. Für die Staatskasse wird dabei allgemein angenommen, dass analog § 20 GKG eine Verwirkung erst eintritt, wenn seit der letzten in dem konkreten Festsetzungsverfahren ergangenen Entscheidung oder verfahrensbeendenden Handlung das folgende Jahr abgelaufen ist. Dies ist hier nicht so. Das Hauptsacheverfahren wurde am 09.10.2012 erledigt. Der Kostenfestsetzungsantrag und auch die Kostenfestsetzung durch die Kostenbeamtin erfolgten zum 25.10.2013. Die eigeständige, nicht fristgebundene Erinnerung des Bezirksrevisors erfolgte zum 16.07.2013. Die Möglichkeit eigenständig Erinnerung einzulegen, ist dem Bezirksrevisor auch nicht dadurch genommen, dass die Rechtsanwältin bereits selbst Erinnerung eingelegt hatte mit dem Begehr, dass noch höhere Ge...

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