Entscheidungsstichwort (Thema)

Entziehung der Schwerbehinderteneigenschaft wegen wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse

 

Orientierungssatz

1. Ein Verwaltungsakt ist nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB 10 mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Bei einer danach vorliegenden teilweisen Aufhebung des Bescheides handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, bei der kein Beurteilungsspielraum gegeben ist.

2. Bedingen die von der Versorgungsverwaltung anerkannten und bisher mit einem GdB von 50 bewerteten Funktionseinschränkungen keinen GdB von 50 mehr, so ist die Schwerbehinderteneigenschaft mit Wirkung für die Zukunft zu entziehen, wenn gegenüber der letzten Verwaltungsentscheidung eine wesentliche Besserung eingetreten ist.

3. Der Gesamt-GdB ist ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der Einzelbeeinträchtigungen zu bilden. Aus einem Teil-GdB von 30 und einem weiteren von 20 ist ein Gesamt-GdB von 40 zu bilden. Funktionseinschränkungen im Bereich der Hände und Arme sind dann nicht mit einem Gesamt-GdB von 50 zu bewerten, wenn die Situation nicht vergleichbar ist mit derjenigen einer Person, die einen Unterarm verloren hat.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte den Grad der Behinderung (GdB) des Klägers zu Recht von 50 auf 40 herabgesetzt hat.

Der am 00.00.1951 geborene Kläger stieß am 08.06.2007 als Motorradfahrer mit einem PKW zusammen. Dabei kam es zu einer Oberarmkopfluxationstrümmerfraktur links, einer Luxation des Schultergelenkes, einer zweitgradig offenen distalen Unterarmtrümmerfraktur rechts, einer geschlossenen distalen Unterarmtrümmerfraktur links, einer geschlossenen subkapitalen Mittelhandknochenfraktur rechts, einer Mittelgesichtsfraktur links mit Fraktur des Orbitabodens, einem Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades bei kurzzeitiger Bewußtlosigkeit, Rippenserienfrakturen der 8.-10. Rippe rechts sowie einem Polytrauma. Nach stationärer Behandlung beantragte der Kläger erstmals am 17.07.2007, den bei ihm vorliegenden Grad der Behinderung festzustellen sowie die Nachteilsausgleiche G, B und H zuzuerkennen. Der Beklagte holte Befundberichte der behandelnden Ärzte bei und zog das Pflegegutachten des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) vom 06.09.2007 (eine Pflegestufe wurde nicht anerkannt) bei. Nach versorgungsärztlicher Auswertung der medizinischen Unterlagen erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 11.10.2007 einen Gesamt-GdB von 50 bei Funktionseinschränkung der Arme und Hände nach Polytrauma sowie Mittelgesichtsfraktur links an. Nachteilsausgleiche wurden nicht zuerkannt, da deren Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

Auf Empfehlung des versorgungsärztlichen Dienstes leitete der Beklagte im Mai 2008 ein Nachprüfungsverfahren ein, da im Augenblick der Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft der Heilungsverlauf beim Kläger noch nicht abgeschlossen war. Der Beklagte zog den Reha-Entlassungsbericht vom 22.11.2007 bei und holte einen Befundbericht des behandelnden Hausarztes des Klägers ein. Diese medizinischen Unterlagen ließ er versorgungsärztlich auswerten. Anschließend hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Herabsetzung des GdB von 50 auf 30 an. Der Kläger wandte ein, die Funktionseinschränkung der Arme habe sich nicht zurückgebildet. Sie seien nach wie vor nicht belastbar. Weiterhin habe er große Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Alltags. Seinen Beruf könne er nicht mehr ausüben. Auch psychisch leide er unter der Situation. Dennoch setzte der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 14.08.2008 den GdB von 50 auf 30 herab. Die Funktionseinschränkung der Arme und Hände sowie die Einschränkungen aufgrund der Mittelgesichtsfraktur links hätten sich zumindest teilweise zurückgebildet.

Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch legte der Kläger im Einzelnen dar, dass und warum sich aus seiner Sicht die gesundheitliche Situation nicht, zumindest nicht wesentlich gebessert habe. Der Beklagte ließ die Angaben des Klägers erneut versorgungsärztlich auswerten und half dem Widerspruch mit Teilabhilfebescheid vom 04.11.2008 insofern ab, als er den GdB nicht mehr auf 30, sondern nur noch auf 40 herabsetzte. Zudem wurden die Funktionseinschränkungen wie folgt neu bezeichnet: Funktionseinschränkung des linken Schultergelenkes, beider Handgelenke, Kraftminderung, Bewegungsstörungen der Fingergelenke. Es sei zwar eine wesentliche Besserung gegenüber der Situation bei Erlass des aufgehobenen Bescheides vom 11.10.2007 eingetreten. Unter Berücksichtigung der Greifstörungen mit Bewegungseinschränkung auch der Fingergelenke sei aber ein GdB von 40 angemessen. Den vom Kläger weiterhin aufrecht erhaltenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbe...

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