Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss der Kostenerstattung nach § 63 SGB 10 bei unzulässigem Widerspruch nach fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung. Kostenentscheidung des Gerichts. keine analoge Anwendung des § 63 SGB 10. kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
Orientierungssatz
1. Die in § 63 Abs 1 SGB 10 geregelte Kostenerstattungspflicht gilt nur für ein isoliertes Vorverfahren, in dem - jedenfalls in der Hauptsache - kein gerichtliches Verfahren folgt. Schließt sich eine Klage an, hat (nur noch) das Gericht gem § 193 SGG darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang Kosten zu erstatten sind. Zu diesen Kosten gehören auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen für ein Vorverfahren. Nichts anderes gilt, wenn es trotz der Einbeziehung des Bescheids in ein bereits abhängiges Gerichtsverfahren nach § 96 Abs 1 SGG noch - wie hier - zu einem (unnötigen) Widerspruchsverfahren kommt.
2. War der eingelegte Widerspruch mangels Rechtsschutzbedürfnis wegen des bereits anhängigen Klageverfahrens unzulässig, kommt eine gesonderte Kostenerstattung nach § 63 SGB 10 auch dann nicht mehr in Betracht, wenn der Kläger durch eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung zur Einlegung des (unzulässigen) Widerspruchs veranlasst worden sein sollte. Über die Kosten eines solchen Widerspruchs ist ausschließlich durch das Gericht in dem Klageverfahren mit zu entscheiden, in das der angefochtene Bescheid einbezogen worden ist.
3. Durch die Einlegung eines unzulässigen Widerspruchs entstandene Kosten gehören zu den erstattungsfähigen Kosten iS des § 193 Abs 2 SGG, wenn gegen den angefochtenen Verwaltungsakt nach der ihm beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung Widerspruch zu erheben und diese Rechtsbehelfsbelehrung für den Betroffenen bzw seinen Bevollmächtigten nicht erkennbar unzutreffend war.
4. Auch eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 41 SGB 10 und der Regelung des § 63 Abs 1 S 2 SGB 10 auf den Fall einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung bei - wegen der Rechtsfolge der §§ 86, 96 SGG - unzulässigem Widerspruch, kommt nicht in Betracht.
5. Der geltend gemachte Anspruch auf Kostenerstattung nach unnötiger Widerspruchseinlegung aufgrund unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung ist als Schadensersatzanspruch in Geld keine Rechtsfolge eines sozialrechtlicher Herstellungsanspruchs, der auf Naturalrestitution gerichtet ist.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Berufung und die Sprungrevision werden zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten, die den Klägern durch die Einlegung eines Widerspruchs entstanden sind.
Mit Bescheid vom 23.07.2010 bewilligte die Rechtsvorgängerin des beklagten Jobcenters, die Arbeitsgemeinschaft für Arbeit im Kreis H. (im Folgenden: Arge H.) den Klägern Leistungen der Grundsicherung nach den Vorschriften des Zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II) für den Zeitraum August bis Oktober 2010. Gegen diesen Bescheid wurde unter dem 06.08.2010 Widerspruch erhoben. Am 09.09.2010 erließ die Arge H. sodann einen Änderungsbescheid betreffend den Monat Oktober 2010. Dieser Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung, wonach gegen den Bescheid Widerspruch erhoben werden könne. Mit Schreiben vom 17.09.2009 erhoben die Kläger durch ihren Bevollmächtigten Widerspruch auch gegen diesen Bescheid. Den Widerspruch verwarf die Arge H. mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2010 als unzulässig. Der Bescheid vom 09.09.2010 enthalte eine Änderung des Bescheides vom 23.07.2009 und sei deswegen gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens diesen Bescheid betreffend geworden. Nach der Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid wurden gegebenenfalls entstandene notwendige Aufwendungen nicht erstattet.
Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich die vorliegende Klage.
Die Kläger sind der Auffassung, durch die unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 09.09.2009 sei der Widerspruch von der Arge H. veranlasst worden, weshalb sie die Kosten für den unzulässigen Widerspruch tragen müsse.
Die Kläger haben schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2010 abzuändern und das beklagte Jobcenter zu verurteilen, den Klägern ihre notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren zu erstatten.
hilfsweise, die Sprungrevision zuzulassen.
Das beklagte Jobcenter hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verweist auf das Urteil des BSG vom 20.10.2010 (B 13 R 15/10 R).
Die Arge H. hat mit Widerspruchsbescheid ebenfalls vom 28.10.2010 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.07.2010 unter Einbeziehung des Bescheides vom 09.09.2009 zurückgewiesen. Diese Entscheidung ist Gegenstand des beim Sozialgericht Detmold noch anhängigen Verfahrens S 28 AS 1510/10.
Das beklagte Jobcenter hat sich mit einer Sprungrevision einverstanden erklärt.
Für die übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des bekl...