Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzverfahren. Durchsetzbarkeit von Beitragsansprüchen des privaten Pflegeversicherungsunternehmens gegen den Schuldner bei Bestehen einer Doppelversicherung in der gesetzlichen Pflegekasse

 

Orientierungssatz

1. Ansprüche aus der privaten Pflegeversicherung zählen grundsätzlich zum insolvenzfreien Vermögen, da die gesetzliche Regelung des § 850b Abs 1 Nr 4 ZPO entsprechend anzuwenden ist.

2. Dies gilt jedoch nicht, wenn während des streitigen Zeitraumes im Fall der Pflegebedürftigkeit eine Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Pflegeversicherung zugunsten des Schuldners besteht (sogenannte Doppelversicherung), da Billigkeitsgesichtspunkte für eine Herausnahme der Prämienforderungen aus der Insolvenzmasse fehlen.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die dem Beklagten entstandenen außergerichtlichen

Kosten zu erstatten.

Der Klägerin sind keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zahlung von rückständigen Beiträgen zur privaten Pflegepflichtversicherung für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis zum 30.04.2012 in Höhe von insgesamt 642,88 € zuzüglich Zinsen. Des Weiteren verlangt die Klägerin von dem Beklagten die Erstattung der von ihr zu zahlenden Rechtsanwaltsvergütung für deren vorgerichtliche Tätigkeit in Höhe von 120,67 €.

Der Beklagte unterzeichnete am 17.08.2001 einen Antrag auf Abschluss einer privaten Pflegepflichtversicherung mit Wirkung zum 01.09.2001. Nach Antragstellung wurde durch die Klägerin ein Versicherungsschein vom 20.08.2001 erstellt und an den Beklagten übersandt.

Ausweislich einer Bescheinigung des Jobcenters des F-Kreises vom 26.09.2014 bezog der Beklagte ab 03.12.2009 Leistungen nach dem Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II). Ab dem 03.12.2009 bis zum 14.08.2010 bestand für den Beklagten eine gesetzliche Familienversicherung und ab dem 15.07.2010 eine Pflichtversicherung bei der BKK.

Über das Vermögen des Beklagten wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom X.X.2010 das Insolvenzverfahren eröffnet. Nach Ablauf von sechs Jahren wurde dem Beklagten durch Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom X.X.2016 Restschuldbefreiung erteilt.

Hinsichtlich der rückständigen Versicherungsbeiträge zur privaten Krankenversicherung für den Zeitraum ab Mai 2010 bis April 2012 war ein Rechtsstreit zwischen den Beteiligten beim Landgericht Hagen anhängig, der durch Urteil vom 14.04.2016 (Az.: 4 O 412/13) beendet wurde. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen.

Nach dem unbestrittenen Vorbringen der Klägerin leistete der Beklagte auf die ab dem 01.04.2010 bis zum 30.04.2012 fällig gewordenen Beiträge in Höhe von zunächst 25,84 € monatlich (ab dem 01.04.2010) und sodann 25,06 € monatlich (ab dem 01.01.2012) keine Zahlungen mehr.

Der Versicherungsvertrag wurde aufgrund einer Kündigung des Beklagten mit Schreiben vom 1.04.2012 mit Wirkung zum 30.04.2012 beendet.

Gegen den Beklagten ist am 11.06.2013 ein Mahnbescheid bezüglich der rückständigen Beitragsforderung in Höhe von 642,88 € nebst Zinsen, der vorgerichtlichen Mahnkosten in Höhe von 15,00 € sowie der Anwaltsvergütung für deren vorgerichtliche Tätigkeit in Höhe von 120,67 € erlassen worden. Der Beklagte hat gegen den ihm am 18.06.2013 zugestellten Mahnbescheid Widerspruch erhoben.

Nach Abgabe des Verfahrens an das Sozialgericht Dortmund hat die Klägerin die Klage hinsichtlich der vorgerichtlichen Mahnkosten in Höhe von 15,00 € sowie der geltend gemachten Zinsen ab dem 01.04.2011 bis 01.04.2012 zurückgenommen.

Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin vor:

Sie habe erstmals vom Kündigungswunsch des Beklagten mit dessen Schreiben vom 01.04.2012 Kenntnis erlangt. Diesem Schreiben sei ein Nachweis des Nachversicherers beigefügt worden, wonach der Beklagte seit dem 01.01.2010 in einer Familienversicherung und ab dem 15.07.2010 in einer gesetzlichen Krankenversicherung versichert sei. Anschließend sei die Beendigung des privaten Pflegepflichtversicherungsvertrages von ihr - der Klägerin - zum 30.04.2012 bestätigt worden. Bei der im Klageverfahren geltend gemachten Forderung handele es sich um eine sogenannte Neuforderung, die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten fällig geworden sei und daher nicht in die Insolvenzmasse falle. Bei rückständigen Versicherungsprämien handele es sich insbesondere dann nicht um Insolvenzforderungen, wenn diese als Entgelt für die Gefahrtragung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschuldet seien. Eine Anmeldung zur Insolvenztabelle habe mithin hinsichtlich der streitigen Prämienrückstände nicht erfolgen können.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 642,88 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.04.2012 sowie Rechtsanwaltskosten in Höhe von 120,67 € zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte wendet ein, dass er den Versicherungsvertrag bereits mit einem Schreiben von September 2009 gekündigt habe. Er sei finanziell...

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