Entscheidungsstichwort (Thema)
Verschollenheit. Einstellung einer Rente bei einem Alleinstehenden. analoge Anwendung
Leitsatz (amtlich)
Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) muss Altersrente auch dann weiterzahlen, wenn der Empfänger bereits seit acht Jahren verschollen ist.
Orientierungssatz
Der Rentenversicherungsträger kann eine Versichertenrente nicht mit dem Hinweis auf die analoge Anwendung des § 49 SGB 6 einstellen, wenn der Rentenbezieher verschollen ist. Dem Rentenversicherungsträger bleibt die Möglichkeit nach § 16 Abs 2 Buchst c VerschG ein Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Erklärung des Todes des Versicherten zu stellen.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 23.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2006 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Einstellung der Zahlung einer Altersrente wegen Verschollenheit des Klägers.
Der ... geborene Kläger bezieht von der Beklagten eine Rente wegen Alters (Bescheid vom 01.08.1988).
Seit dem ... ist der Aufenthalt des Klägers unbekannt. Zu diesem Zeitpunkt ist er letztmalig bei einer Bergwanderung im ... gesehen worden.
Mit Beschluss des Amtsgerichts ... vom ... ist der gesetzliche Vertreter des Klägers, Herr M, zum Abwesenheitspfleger bestellt worden.
Unter dem 12.04.2006 erging eine zunächst formlose Mitteilung der Beklagten an den Abwesenheitspfleger, dass die Rentenzahlung an den Kläger zum 01.04.2006 eingestellt worden sei. Mit Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 10.05.2006 forderte dieser die Beklagte daraufhin auf, die Rente ab Januar 2006 - schon ab diesem Zeitpunkt seien keine Rentenzahlungen mehr erfolgt - ungekürzt fortzuzahlen. Für die Einstellung der Rentenzahlung vor der gerichtlichen Todeserklärung fehle es an einer gesetzlichen Grundlage.
Die Beklagte zog sodann sämtliche Aktenvorgänge über die Umstände des Verschwindens des Klägers bei.
Mit Bescheid vom 23.06.2006 stellte die Beklagte sodann "in entsprechender Anwendung des § 49 des 6. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI)" den Todestag des Klägers auf den 25.03.1999 fest. Der Anspruch auf Versichertenrente entfalle damit mit Ablauf des Monats März 1999.
Zur Begründung berief sich die Beklagte im Wesentlichen auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29.07.1976 - 4 RJ 5/76 -. Das BSG habe bei seiner Befassung mit der Vorgängervorschrift zu § 49 SGB VI zwar festgestellt, dass nach dem Wortlaut diese Vorschrift unmittelbar nur Anwendung auf Hinterbliebenenrentenansprüche finde. Die Feststellung des Todestages eines verschollenen Versicherten als Voraussetzung für die Entstehung von Ansprüchen auf Hinterbliebenenrenten führe jedoch gleichzeitig zur Einstellung der Zahlung einer Versichertenrente. Diese Wirkungen der Feststellung des Todestages könnten nicht voneinander getrennt werden, da Versicherten- und Hinterbliebenenrente aus demselben Versicherungsverhältnis einander ausschließen würden. Dies müsse auch für § 49 SGB VI gelten, denn insoweit habe sich an der Rechtslage nichts geändert. Daraus folge, dass der Rentenversicherungsträger aus § 49 SGB VI analog auch die Berechtigung habe, den Tod eines Versicherten im Hinblick auf dessen eigene Rente festzustellen. Nach den beigezogenen Unterlagen, die zur Abwesenheitspflegerbestellung für den Kläger geführt hätten, machten die Gesamtumstände den Tod des Klägers wahrscheinlich. Der Abwesenheitspfleger habe seit dem Zeitpunkt des Verschwindens kein Lebenszeichen des Klägers. Die Entscheidung der Beklagten rechtfertige es, die weitere Rentenzahlung ab dem 01.05.2006 an den Abwesenheitspfleger nicht aufzunehmen und die vom Postrentenservice von Januar bis April 2006 zurückgerufenen Rentenzahlungen auf das bisherige Konto nicht erneut zu leisten.
Seinen hiergegen fristgerecht eingelegten Widerspruch begründete der Abwesenheitspfleger des Klägers im Wesentlichen damit, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, auf der Grundlage einer Analogie zu § 49 SGB VI den Tod des Klägers schon jetzt festzustellen und die Zahlung seiner eigenen Rente einzustellen. Insbesondere könne sich die Beklagte hierbei nicht auf die von ihr zitierte Entscheidung des BSG berufen. Wortlaut, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Vorgängernormen des § 49 SGB VI sprächen gegen die Ansicht der Beklagten. Danach sowie nach dem Urteil des BSG sei deutlich, dass die vorzeitige Todeserklärung und die Gewährung von Hinterbliebenenbezügen eng miteinander verknüpft seien. So sei die vorzeitige Todeserklärung nicht gerechtfertigt, wenn sie nicht zu Gunsten hinterbliebenenrentenberechtigter Angehöriger erfolge. Auch Stellung und Wortlaut des § 49 SGB VI sprächen für diese enge Verknüpfung und gegen eine Beendigung der Rentenzahlung vor der 10-Jahresfrist für die Todeserklärung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Abwesenheitspflegers des Klägers als unbegründet zurück und berief sich hierfür im Wesentlichen auf die Gründe des...