Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Pflegeversicherung. Versicherungspflicht. Überschreiten der Versicherungspflichtgrenze. fehlender Hinweis der Krankenkasse auf Austrittsmöglichkeit. freiwillige Mitgliedschaft. rückwirkende Austrittsmöglichkeit. Verwirkung von Beiträgen

 

Leitsatz (amtlich)

Rechtsfolge des Unterbleibens eines Hinweises nach § 190 Abs 3 S 1 SGB 5 ist nicht, dass die Mitgliedschaft als Pflichtmitgliedschaft fortgesetzt wird, sondern dass eine freiwillige Mitgliedschaft begründet wird, aus der der Versicherte jederzeit rückwirkend austreten kann.

 

Orientierungssatz

1. Ein rückwirkender Austritt ist nicht mehr möglich, wenn in Kenntnis der Sach- und Rechtslage die Mitgliedschaft bestätigt wird (hier: deutlicher Wunsch des Versicherten, im strittigen Jahr 2004 bei der Krankenkasse Mitglied bleiben zu wollen).

2. Für eine Verwirkung von Beiträgen muss neben dem Zeitelement immer auch ein Umstandselement dazu kommen. Ein solches liegt vor, wenn der Verpflichtete auf Grund des Verhaltens des Berechtigten sich darauf einrichten konnte, dass dieser sein vermeintliches Recht nicht mehr geltend machen werde.

 

Tenor

I. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wird abgelehnt.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Nachzahlung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen aus dem Jahr 2004 in Höhe von 3.431,31 EUR.

Der Antragsteller war seit 01.02.2003 pflichtversichertes Mitglied der Antragsgegnerin. Er ist Angestellter des Freistaates Sachsen in der Vergütungsgruppe 1B (BAT Lehrer). Im Jahr 2003 bezog er ein Einkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze, ebenso im Jahr 2004. Auf die sich daraus ergebende Möglichkeit des Austrittes aus der Antragsgegnerin zum 01.01.2004 hat diese den Antragsteller nicht hingewiesen. Seit 01.01.2005 ist der Antragsteller freiwilliges Mitglied bei einer anderen Krankenkasse.

Der Antragsteller trägt vor, er habe am 22.12.2003 seine Krankenversicherung schriftlich zum 31.12.2003 gekündigt, weil er von seinem Arbeitgeber darüber informiert worden sei, dass er sich ab 01.01.2004 wieder freiwillig versichern müsse. Die Antragstellerin behauptet dagegen, ein Kündigungsschreiben vom 22.12.2003 sei bei ihr nicht eingegangen. Mit Datum vom 27.05.2004 beantragte der Antragsteller eine Kündigungsbestätigung zum 31.12.2003. Mit Datum vom 01.06.2004 informierte die Antragsgegnerin den Antragsteller darüber, dass für ihn seit dem 01.01.2004 keine Neuanmeldung des Arbeitgebers, die wegen des Beitragsgruppenwechsels nötig sei, vorliege. Mit diesem Schreiben wurde der Antragsteller weiterhin darüber informiert, dass er erst nach Ablauf der 18-Monats-Frist zu einer anderen gesetzlichen Krankenversicherung wechseln könne und dass diese Frist nicht für einen Wechsel zu einer privaten Krankenversicherung gelten würde. Mit Schreiben vom 05.07.2004 verlangte der Antragsteller von der Antragsgegnerin eine Kündigungsbestätigung zum 31.07.2004. Daraufhin bestätigte diese die Kündigung zum 31.12.2004.

Für das Jahr 2003 hat der Arbeitgeber des Antragstellers keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung an die Antragsgegnerin abgeführt, jedoch Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 2.981,77 EUR an den Antragsteller überwiesen.

Mit Datum vom 26.09.2005 erließ die Antragsgegnerin einen Beitragsbescheid, mit dem sie vom Antragsteller monatliche Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung für Januar bis März 2004 in Höhe von 505,68 EUR und für April bis Dezember 2004 in Höhe von 540,56 EUR forderte. Sie wies außerdem darauf hin, dass sich aus dem Jahr 2004 ein Rückstand von 6.382,08 EUR ergeben würde und bot gegebenenfalls eine Ratenzahlungsvereinbarung an. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Datum vom 22.10.2005 Widerspruch ein. Er akzeptiere lediglich einen Teilbetrag in Höhe von 2.981,77 EUR, weil er in dieser Höhe von seinem Arbeitgeber einen Zuschuss erhalten habe. Die weiteren Beiträge seien verwirkt. Er habe die Beiträge verbraucht und über den ganzen Zeitraum habe die Antragsgegnerin nichts zur Durchsetzung ihres Rechts getan. Auf Grund verschiedener telefonischer Auskünfte von Mitarbeitern der Antragsgegnerin habe der Antragsteller davon ausgehen können, dass er weiter pflichtversichert sei. Hilfsweise werde mit Schadensersatzansprüchen aufgerechnet, die dem Antragsteller zustehen würden, weil er nicht über die Austrittsmöglichkeit informiert worden sei.

Mit Datum vom 23.02.2006 wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass zusätzlich zum geforderten Beitrag Säumniszuschläge in Höhe von 34,00 EUR fällig wären.

Mit Datum vom 25.11.2005 beantragte der Antragsteller, wiederum vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, bei der Antragsgegnerin die sofortige Vollziehbarkeit des Beitragsbescheides auszusetzen. Nach dem dieser Antrag mit Datum vom 20.12.2005 abgelehnt worden war, beantragte der Antragsteller durch se...

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