Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeldrecht. Partnerschaftsbonusmonate. Arbeitszeitkorridor. Erfüllung der Vorgaben in jedem Lebensmonat des Kindes. unklarer Wortlaut in der Regelung des § 4 Abs 4 S 3 Nr 1 BEEG bis 1.9.2021. Erfüllung der Voraussetzungen im Kalendermonat ausreichend. längere Erkrankung des Elterngeldberechtigten. fehlende Möglichkeit der Senkung der Wochenarbeitsstunden für den passenden Monatsdurchschnitt. hypothetische Annahme der Einhaltung der vorausgesetzten Durchschnittsarbeitszeit zugunsten des Elterngeldberechtigten
Leitsatz (amtlich)
1. Der sog. Arbeitszeitkorridor für die Inanspruchnahme von Elterngeld muss grundsätzlich in den einzelnen Lebensmonaten des Kindes, die jeweils mit dem Kalendertag der Geburt beginnen, eingehalten werden. Ausnahmsweise können jedenfalls nach der bis zum 31.8.2021 geltenden Fassung von § 4 Abs 4 S 3 Nr 1 BEEG auch die Arbeitszeiten bei kalendermonatlicher Betrachtung zu Gunsten der Anspruchsteller zu Grunde gelegt werden.
2. Das Gericht schließt sich der obergerichtlichen Rechtsprechung an, nach der krankheitsbedingte Unterbrechungen der Beschäftigung im Hinblick auf das Elterngeld nicht als anspruchsschädlich bewertet werden können.
Orientierungssatz
Zum Leitsatz 2 vgl LSG Berlin-Potsdam vom 25.4.2023 - L 4 EG 8/20 und LSG Celle-Bremen vom 20.6.2022 - L 2 EG 5/22.
Tenor
I. Auf die Klage der Klägerin zu 1 werden der Erstattungsbescheid der Beklagten vom 4. Juli 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. September 2022 aufgehoben und der Bescheid der Beklagten zur endgültigen Entscheidung über Ansprüche auf Elterngeld vom 4. Juli 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. September 2022 dahingehend abgeändert, dass die Elterngeldhöhe für den Zeitraum 3. März bis 2. Juli 2021 auf monatlich EUR 413,75 festgesetzt wird.
II. Auf die Klage des Klägers zu 2 werden der Erstattungsbescheid der Beklagten vom 5. Juli 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. September 2022 aufgehoben und der Bescheid der Beklagten zur endgültigen Entscheidung über Ansprüche auf Elterngeld vom 5. Juli 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. September 2022 dahingehend abgeändert, dass die Elterngeldhöhe für den Zeitraum 3. März bis 2. Juli 2021 auf monatlich EUR 197,55 festgesetzt wird.
III. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 2.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Ansprüche der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 2 auf Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) i. H. v. insgesamt EUR 1.655,00 und EUR 790,20.
Mit Antrag vom 15. November 2019 begehrten die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 Elterngeld, nachdem ihr gemeinsamer Sohn am 3. November 2019 zur Welt gekommen war. Zu dieser Zeit waren beide Elternteile jeweils bei Ingenieurbüros im Rahmen einer abhängigen Festanstellung tätig. Mit Bescheiden vom 5. Februar 2020 erfolgte jeweils eine vorläufige Entscheidung der Beklagten, die
- für die Klägerin zu 1 neben dem Basiselterngeld für die Lebensmonate 1 bis 12 ihres Sohnes die Gewährung von Elterngeld in den Partnerschaftsbonusmonaten 14 bis 17 i. H. v. monatlich EUR 413,32 sowie
- für den Kläger zu 2 neben der Gewährung von Elterngeld Plus für die Lebensmonate 11 und 12 die Gewährung von Elterngeld in den Partnerschaftsbonusmonaten 14 bis 17 i. H. v. monatlich EUR 193,41 vorsahen.
Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 stellten einen gemeinsamen Änderungsantrag vom 17. Juli 2020, der u. a. durchgehend die Lebensmonate 17 bis 20 ihres Sohnes betraf. Die Klägerin zu 1 gab eine Wochenarbeitszeit von 25 Stunden und der Kläger zu 2 eine Wochenarbeitszeit von 30 Stunden an. Die Beklagte erließ daraufhin Bescheide vom 19. August 2020 zur vorläufigen Gewährung von Elterngeld, die
- für die Klägerin zu 1 in den Lebensmonaten 11 und 12 Elterngeld Plus und die Gewährung von Elterngeld in den Partnerschaftsbonusmonaten 18 bis 20 i. H. v. monatlich EUR 413,75 sowie
- für den Kläger zu 2 für die Lebensmonate 13 bis 16 des Sohnes Elterngeld Plus und die Gewährung von Elterngeld in den Partnerschaftsbonusmonaten 17 bis 20 i. H. v. monatlich EUR 197,55 vorsahen.
In der Zeit vom 1. März 2021 bis zum 2. Juli 2021 lagen unter Berücksichtigung von außerhalb des Büros geleisteter Zeiten folgende Arbeitsstunden für die Klägerin zu 1 vor:
|
Tag |
März 2021 |
April 2021 |
Mai 2021 |
Juni 2021 |
Juli 2021 |
1 |
7,50 |
4,93* |
Samstag |
4,17 |
7,13 |
2 |
8,57 |
Feiertag |
Sonntag |
5,32** |
1,88 |
3 |
3,23 |
Samstag |
4,00 |
5,37 |
|
4 |
3,05 |
Sonntag |
6,02 |
Urlaub |
|
5 |
6,15 |
Feiertag |
5,00 |
Samstag |
|
6 |
Samstag |
5,10 |
Urlaub |
Sonntag |
|
7 |
Sonntag |
5,07 |
Urlaub |
5,65 |
|
8 |
2,10 |
4,47 |
Samstag |
5,28** |
|
9 |
7,22 |
3,12 |
Sonntag |
4,50 |
|
10 |
8,42 |
Samstag |
5,00 |
Urlaub |
|
11 |
4,98 |
Sonntag |
Urlaub |
3,88 |
|
12 |
2,85 |
4,47 |
Urlaub |
Samstag |
|
13 |
Samstag |
5,12 |
Feiertag |
Sonntag |
|
14 |
Sonntag |
6,63 |
Urlaub |
7,33 |
|
15 |
2,15 |
5,03 |
Samstag |
3,93 |
|
16 |
7,97... |