Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung. Zulässigkeit eines Regressbescheides der Prüfungsstelle nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Orientierungssatz
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerpflichtigen dürfen keine Steuerbescheide und auch keine Haftungsbescheide mehr gegen diesen ergehen. Das Finanzamt muss seine Steuerforderungen vielmehr nach den Regeln der InsO geltend machen. Gleichwohl nach Insolvenzeröffnung erlassene Steuerbescheide sind unwirksam (vgl zuletzt BFH vom 31.1.2012 - I S 15/11 = BFH/NV 2012, 989). Diese Rechtslage gilt auch mit Blick auf Regressbescheide, die an einen Vertragsarzt ergehen, der zugleich Gemeinschuldner ist (vgl LSG Essen vom 13.4.2011 - L 11 KA 121/10 B ER).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist die Durchsetzung einer Regressforderung.
Die Beigeladene ist Fachärztin für Chirurgie und in X (zuvor E) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Über ihr Vermögen wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 29.11.2002 - 63 IN 67/02 - wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit weiterem Beschluss vom 16.02.2010 wurde der Beigeladenen Restschuldbefreiung erteilt. Nach Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits kann das Insolvenzverfahren schlussgerechnet werden.
Mit Bescheid vom 22.08.2005 setzte der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein wegen Unwirtschaftlichkeit der Arzneiverordnungstätigkeit nach Durchschnittswerten für die Quartale 3/2001 und 4/2001 Regresse in Höhe von 3.063,80 EUR (3/2001) und 4.973,23 EUR (4/2001) fest. Diesem Bescheid widersprach die Beigeladene. Mit Bescheid vom 06.04.2006 reduzierte daraufhin der Beschwerdeausschuss der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein die Regresse auf 2.976,15 EUR (3/2001) und 4.648,36 EUR (4/2001).
Unter dem 09.01.2009 forderte die Klägerin den beklagten Insolvenzverwalter auf, die sich aus dem Bescheid des Beschwerdeausschusses ergebende Regressforderung in Höhe von 7.624,51 EUR bis zum 30.01.2009 auszugleichen. Nachdem der Beklagte dies mit Schreiben vom 02.02.2009 ablehnte, hat die Klägerin am 19.03.2009 Zahlungsklage erhoben.
Die Klägerin ist der Ansicht, es handele sich bei der Regressforderung aus einer geduldeten Fortführung der vertragsärztlichen Praxis um eine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO). Regressforderungen nach Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung von Arzneimittelverordnungen seien wegen der Beurteilungs- und Ermessensspielräume der Prüfgremien sowie der Notwendigkeit intellektueller Prüfungen z.B. zur Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten frühestens zum Zeitpunkt des Erlasses eines entsprechenden Regressbescheides durch den Prüfungsausschuss angelegt bzw. begründet. Dieser Umstand stehe einer Anmeldung zur Insolvenztabelle entgegen mit der Folge, dass die Forderung als Masseverbindlichkeit gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen sei. Im Übrigen regt die Klägerin die Beiladung der Krankenkassen(-verbände) an.
Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, die Regressforderung aus dem Bescheid des Beschwerdeausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 06.04.2006 für die Quartale 3/2001 und 4/2001 wegen Unwirtschaftlichkeit der Verordnungstätigkeit nach Durchschnittswerten in Höhe von 7.624,51 EUR als Masseverbindlichkeit an die Klägerin zu zahlen;
2. hilfsweise festzustellen, dass der Klägerin eine Forderung in Höhe von 7.624,51 EUR gegen die Insolvenzschuldnerin zusteht.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach seiner Auffassung handelt es sich nicht um eine Masseverbindlichkeit, sondern lediglich um eine Insolvenzforderung im Sinne des § 38 InsO. Zwar stellten vom Schuldner im Zusammenhang mit der vom Insolvenzverwalter gestatteten bzw. geduldeten selbständigen Tätigkeit begründete Verbindlichkeiten Masseverbindlichkeiten dar. Dies könne aber nur für den Zeitraum gelten, in dem tatsächlich eine Fortführung des schuldnerischen Betriebes durch den Insolvenzverwalter erfolge. Vorliegend sei der Rechtsgrund der geltend gemachten Forderung jedoch bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und somit vor der Fortführung der Praxis durch den Insolvenzverwalter angelegt worden.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akte S 2 KA 137/08 Bezug genommen. Diese Inhalte sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Leistungsklage ist ebenso wie die hilfsweise erhobene Feststellungsklage unbegründet. Die Klägerin hat keinen Zahlungsanspruch gegen den beklagten Insolvenzverwalter, ihr steht auch keine Forderung gegen die beigeladene Insolvenzschuldnerin zu.
Insolvenzgläubiger können gemäß § 87 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Insolvenzforderungen im Sinne von § 38 InsO und damit ihre zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen ...