Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des nicht volljährigen Grundsicherungsberechtigten auf Übernahme von Mitgliedsbeiträgen zu Sportvereinen und Fahrtkosten zu Sportveranstaltungen
Orientierungssatz
1. Der Grundsicherungsträger ist nach § 28 Abs. 7 SGB 2 verpflichtet, bei Leistungsberechtigten des SGB 2 bis zu deren vollendetem 18. Lebensjahr Mitgliedsbeiträge u. a. im Bereich Sport bis zu 10.- €. monatlich zu übernehmen.
2. Nach der Rechtsprechung des BVerfG müssen Bildungs- und Teilhabeangebote für den Bedürftigen auch tatsächlich ohne weitere Kosten erreichbar sein. Damit ist ein Anspruch auf Fahrtkosten zu entsprechenden Veranstaltungen sichergestellt (BVerfG Urteil vom 23. 7. 2014, 1 BvL 10/12).
3. Dem Grundsicherungsträger ist kein Ermessen eingeräumt, die Auswahl der Sportart zu beschränken.
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum 01.10.2014 bis 31.08.2015 unter Abänderung der Bescheide vom 30.09.2014 - in der Fassung der Änderungsbescheide - und 25.03.2015 - in der Fassung der Änderungsbescheide - und unter Aufhebung der Bescheide vom 19.01.2015 und 03.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2015 weitere Aufwendungen für Fahrtkosten zur Fahrt zum Sportverein i. H. v. 1,20 EUR pro Fahrt für insgesamt 46 Fahrten zu bewilligen.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme von Fahrtkosten zum Besuch des Sportvereines des Klägers.
Der Kläger ist 2004 geboren und steht im Leistungsbezug bei dem Beklagten. Mit Bescheid vom 30.09.2014 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.10.2014 bis 31.03.2015, mit Bescheid vom 25.03.2015 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.04.2015 bis 31.08.2015. Mit Bescheid vom 02.12.2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen der Bildung und Teilhabe in Form des Mitgliedsbeitrags des Vereins PSV für die Zeit vom 01.10.2014 bis 31.03.2015 in Höhe von einmalig 60 EUR. Bei diesem Verein handelt es sich um den Polizei-Sportverein D., bei dem der Kläger die Sportart Jiu Jitsu ausübt. Mit Schreiben vom 08.01.2015 beantragte der gesetzliche Vertreter des Klägers, sein Vater, ergänzend zu seinem "Globalantrag", die Fahrtkosten zum Vereinsbesuch zu übernehmen. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV-Regelsätzen vom 23.07.2014 müssten Bildungs- und Teilhabeangebote ohne weitere Kosten erreichbar sein. Sein Sohn Pierre besuche das Training an zwei Tagen in der Woche, wobei er von seinen Eltern mit dem Pkw dort hingebracht und abgeholt werde. Das Training ende erst nach 20:00 Uhr, weshalb die Eltern einer alleinigen Heimfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zustimmten.
Mit Bescheid vom 19.01.2015 lehnte der Beklagte die Übernahme der Fahrtkosten zum Verein ab, da diese durch Leistungen für Bildung und Teilhabe nicht erfasst seien. Mit Schreiben vom 22.01.2015, auf das Bezug genommen wird, erhob der gesetzliche Vertreter des Klägers Widerspruch. Mit weiterem Bescheid vom 03.03.2015 lehnte der Beklagte den Antrag (erneut) ab. Für den Kläger seien mit Bescheid vom 02.12.2014 bereits Teilhabeleistungen von 10 EUR monatlich bewilligt worden, der maximal mögliche Betrag für Teilhabeleistungen gemäß § 28 Abs. 7 SGB II betrage 10 EUR, damit sei dieser maximale Betrag bis März 2015 bereits ausgeschöpft. Unabhängig davon sei eine Übernahme von Fahrtkosten zum Verein nicht möglich, da diese Kosten nicht durch Leistungen der Bildung und Teilhabe erfasst und in der Regelleistung des Alg II enthalten seien. Der Ablehnungsbescheid vom 19.01.2015 werde hiermit zurückgenommen. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2015 wies der Beklagte sodann den Widerspruch des Klägers zurück; auf die Begründung wird Bezug genommen.
Der Kläger hat am 22.04.2015 Klage erhoben und erneut auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hingewiesen. Die einfache Entfernung zur Trainingsstätte betrage 6 km, als Fahrtkosten würden 20 Cent pro Entfernungskilometer geltend gemacht. Im streitgegenständlichen Zeitraum seien somit 46 Fahrten zu übernehmen. Die Sportart werde nicht in der unmittelbaren Nähe des Wohnortes des Klägers angeboten, selbstverständlich könne der Kläger die Sportart aussuchen und sei nicht auf ähnliche Sportarten zu verweisen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, unter Abänderung der Bescheide vom 19.01. und 03.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2015 dem Kläger über die bisher bewilligten 10 EUR monatlich für Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben hinaus Fahrtkosten in Höhe von 1,20 EUR pro Fahrt zum Sportverein für insgesamt 46 Fahrten zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergebe sich keinesfalls, dass damit die Fahrtkosten zu jedwedem Teilhabeangebot zwingend zu übernehmen seien. Denkbar könne in d...