Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Wertung eines Unfallereignisses auf dem Weg zu einem COVID-19-Testzentrum vor Arbeitsbeginn als Arbeitsunfall
Orientierungssatz
1. Muss ein Arbeitnehmer vor Aufnahme seiner betrieblichen Tätigkeit seinem Arbeitgeber ein negatives Ergebnis hinsichtlich einer COVID-19-Infektion vorlegen und verunglückt er auf dem Weg zum Testzentrum, so beruht die Ursache auf einer gesetzlichen Verpflichtung zur Impfung und nicht auf einer arbeitsrechtlichen Weisung des Arbeitgebers. Ein Arbeitsunfall i. S. von § 8 Abs. 1 SGB 7 liegt damit nicht vor.
2. Im Übrigen steht der unfallbringende Vorgang als Vorbereitungshandlung auf die berufliche Tätigkeit nicht unter Unfallversicherungsschutz.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Der am 1983 geborene Kläger war am 06.12.2021 als Aushilfe bei der Buchhandlung GmbH in Hagen beschäftigt, als er auf dem Weg von seinem Wohnort zum Testzentrum des Evangelischen Krankenhauses Mülheim aufgrund von Glatteis stürzte. Der Kläger wollte das Testzentrum vor der Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit aufsuchen, da er nicht gegen COVID-19 geimpft war und daher seiner Arbeitgeberin vor der Aufnahme seiner Tätigkeit ein negatives Testergebnis vorlegen musste.
Der Kläger wurde im Anschluss mit dem Rettungsdienst in das St. Marien-Hospital in Mülheim an der Ruhr gebracht und dort dem Durchgangsarzt Dr. W. vorgestellt. Dieser diagnostizierte einen Verdacht auf eine vordere Syndesmosenruptur links sowie eine Deltaruptur.
Im weiteren Verlauf bestätigten sich eine hohe Wadenbeinfraktur links und eine komplette Band- und Syndesmosenruptur des Außenknöchels.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.11.2022 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 06.12.2021 als Arbeitsunfall ab. Es fehle zum Unfallzeitpunkt am inneren Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung. Testungen wie ein Corona-Schnelltest könnten ausnahmsweise unter Versicherungsschutz stehen, wenn sie einen engen sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufweisen. Die aufgrund der allgemeinen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung zum Unfallzeitpunkt erforderliche Vorlage eines negativen Testergebnisses für den Zugang zum Unternehmen für Personen, die nicht geimpft oder genesen sind, erfülle diese Voraussetzung nicht, da sie keine mit spezifischen Umständen der versicherten Tätigkeit zusammenhängende Maßnahme sei und daher eine unversicherte Vorbereitungshandlung darstelle.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 30.12.2022 Widerspruch mit der Begründung, seitens seiner Arbeitgeberin sei eine tägliche Freitestung der Mitarbeiter gefordert worden. Dem sei er jeweils nachgekommen, wie auch am Tag des Unfallereignisses.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.03.2023 unter Wiederholung der Begründung des Ausgangsbescheids zurück.
Am 30.03.2023 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.
Zur Begründung seiner Klage führt er aus, die Testung sei aufgrund der 3G-Regelung zwingend notwendig gewesen, da er ungeimpft gewesen sei und er seine Tätigkeit nur habe ausführen können, wenn er zuvor ein negatives Testergebnis vorlegte. Dieses Testergebnis sei jeden Morgen bei seinem Eintreffen in der Filiale der Arbeitgeberin überprüft und zur Personalakte genommen worden. Zudem habe er eine Ansteckung der Kunden seiner Arbeitgeberin vermeiden wollen, zumal gerade im Einzelhandel die Gefahr einer Ansteckung Dritter in hohem Maße gegeben gewesen sei. Daher sei die Durchführung des Coronatests vor Arbeitsaufnahme in einem unmittelbaren Zusammenhang mit seiner Arbeitstätigkeit zu sehen.
Der Kläger beantragt mit Schriftsätzen vom 30.03.2023 und 30.05.2023 sinngemäß,
den Bescheid vom 30.11.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.03.2023 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 06.12.2021 um einen Arbeitsunfall handelt.
Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 14.04.2023 sinngemäß,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt der Klage mit der Begründung entgegen, dass weder die zum Unfallzeitpunkt geltende Corona-Testverordnung des Landes NRW noch die entsprechende Arbeitsschutzverordnung des Bundes eine Testpflicht für den Kläger vorgesehen hätten. Zudem dienten die Testungen primär der Eindämmung der Pandemie im Hinblick auf die Allgemeinheit. Ferner lasse sich die These, im Einzelhandel habe in einem hohen Maße die Gefahr einer Ansteckung bestanden, nicht nachvollziehen, da das RKI bereits im Februar 2021 die Ansteckungsgefahr im Einzelhandel als niedrig eingeschätzt habe.
In einem Schreiben vom 06.12.2023 hat die Arbeitgeberin des Klägers bestätigt, dass sie jeden Morgen bei ihren Mitarbeitern die Vorlage eines negativen Testergebnisses hinsichtlich einer COVID-19-Infektion gefordert habe. Wegen der 3G-Regelung am Arbeitsplatz haben Mitarbeiter, d...